Pünktlich am Samstagmorgen holte mich das Taxi ab und brachte mich zum Camperverleih. Da sah ich es, das Fahrzeug, das mich ab jetzt 3.000 km nach Süden bringen soll. Es ist ein Nissan-Allradfahrzeug mit einer mit Ketten befestigten Kabine. Es ist nur 5,40 m lang, dafür aber eben hoch. Ich schlafe über der Fahrkabine in einem geräumigen Bett. Die Mitte der Kabine wird eingenommen von 2 kurzen Sitzbänken und einem Tisch in der Mitte. Dieser Bereich kann auch in ein zweites Bett verwandelt werden, aber das brauche ich ja nicht. Für 2 Personen wäre dieser Raum tatsächlich sehr klein. Nach hinten ist das Bad mit tragbarer Toilette und Dusche und links daneben die Spüle und ein Kocher mit 2 Gasflammen.
Die junge Frau des Verleihers ging mit mir die Papiere durch und erklärte mir dann das Fahrzeug und die Technik in der Kabine. Als ich dann auch noch alles eingeräumt hatte, wobei ich auf das Auspacken des Koffers verzichtete, waren fast 3 Stunden vergangen. Es war bereits kurz vor 12.00 Uhr.
Ich fuhr nun los. „Hoffentlich fahre ich nicht schon einen Außenspiegel ab, bevor ich aus dem Tor bin“ dache ich, aber ich kam heil auf der Straße an. Ich kam auch heil auf die Autobahn und konnte mich hier an die 6-Gangschaltung gewöhnen.
Der Campingverleiher befindet sich nördlich von Santiago, so dass ich, weil ich ja nach Süden fahre, wieder an Santiago vorbei musste. Es staute sich hier und da, und ich überlegte, ob ich heute wirklich noch die über 500 km schaffen könnte, die ich mir vorgenommen hatte. Ich machte so wenig Pause wie möglich, und tatsächlich war ich um 18.30 Uhr in Coronel. Das ist eine Stadt am Pazifik südlich von der größeren Stadt Concepción. Eigentlich wollte ich nochmal an den Ozean. Ich hatte die Adresse eines Campingplatzes eingegeben. Endlich kam ich an, das Navi sagte zumindest, ich sei da. Aber ich stand mitten in einer Stadt zwischen Häusern und Geschäften, nur ein Campingplatz war da nicht. Noch dreimal hörte ich auf das Navi, das mich immerzu im Kreis lenkte, bis ich mich auf einen Bürgersteig stellte und in eine Bäckerei ging. Dort fragte ich, wo hier der Campingplatz sei. „Gibt es hier nicht“ sagten sie. Ein Mann und eine junge Frau wetteiferten schließlich darin, den Namen des Campingplatzes in Google zu finden, und da war er natürlich, den hatte Google mir ja ausgespuckt. Die junge Frau erinnerte sich nun, dass das wohl weiter außerhalb sei, sie würde mit dem Auto vor mir herfahren. Ich bedankte mich sehr und fuhr hinter ihr her. Wir kamen auch tatsächlich an einem Tor an, wo wir den Namen des Campingplatzes lesen konnten. Es sollte dort auch ein Restaurant gleichen Namens geben. Zwei Männer schlossen gerade das Tor ab und ich lief schnell hin und fragte, ob ich noch hinein könnte.
Sie schauten mich ein wenig verwundert an. Hier sei kein Campingplatz mehr. Der ältere der beiden, er war der Vater des jüngeren, sagte mir, er habe das Gelände gekauft und wolle es für andere Zwecke umbauen. Als sie meinen müden Blick sahen, oder was weiß ich, sagten sie mir, ich könne trotzdem hier stehen bleiben. Ich bedankte mich und beschloss, dies zu tun. Wo sollte ich auch hin. Der Mann bot mir noch an, mit ihm nach Hause zu kommen, sie würden mir ein Sandwich machen. Dankend lehnte ich ab, fragte aber, ob in der Nähe ein Supermarkt sei. Inzwischen war auch die Frau, die zu der Familie gehörte, aufgetaucht.
„Alles kein Problem“ meinten sie, ich solle in ihr Auto einsteigen. So fuhr ich mit ihnen zu deren Haus, sie holten Einkaufstaschen für mich und luden mich ein, wenigstens zur Toilette zu gehen. Danach begleiteten mich die Frau und der Sohn in den Supermarkt. Sie zeigte mir schnell, wo die Dinge, die ich brauchte, standen, und der Junge trug mir nachher alles in den Wagen. Dann fuhren sie mich zurück zu dem verlassenen Platz, auf dem mein Auto stand, nicht ohne mir noch ein paar Avocados zugesteckt zu haben. Ich war so hin- und hergerissen vor Staunen über so viel Hilfsbereitschaft in dieser misslichen Situation, dass ich die Frau spontan umarmte.
Sie schlossen das Tor, damit ich mich sicher fühlen sollte und versprachen mir, am nächsten Morgen wiederzukommen, um es zu öffnen. Ich hatte gesagt, dass ich gegen 10.00 Uhr weiter wolle. Auch erwähnten sie noch, dass am nächsten Morgen Arbeiter kämen.
Im Halbdunkel räumte ich noch meinen Koffer aus, erledigte eine provisorische Schweinchendusche im Camper und trank ein Bier.
Im Nachhinein erkläre ich mir die Geschichte etwa so, dass Google die Adresse des Folgebesitzers dieses Campingplatzes laut Grundbucheintrag ausgespuckt hat. Die Adresse war nämlich das Haus der Familie, die so unglaublich hilfsbereit war.
Ein bisschen unruhig war ich trotz allem. „Hoffentlich machen die mir das Tor wieder auf“, dachte ich. Außerdem war dieser verlassene Campingplatz nicht gerade ein Platz, auf dem man entspannen konnte, mit dem kaputten Swimmingpool, in dem allerdings Wasser war, der Toilettenanlage, die noch funktionierte, aber tausendmal schlimmer aussah als die vom Flughafen Algier vor 40 Jahren (und die war echt schon extrem!), den Fässern mit Unrat und den vergammelten Bruchbuden ringsherum.
Am nächsten Morgen machte ich mich fertig, die Kabine fahrsicher und nahm ein Minifrühstück zu mir, um nicht irgendwelche Funktionen in meinem Innern in Gang zu bringen, die etwa eine Toilette erfordert hätten. Die Arbeiter waren tatsächlich da und werkelten in Schwimmbadnähe. Es ging auf 10 Uhr zu und ich wurde unruhig, da ich doch die gleiche Streckenlänge noch einmal zurücklegen wollte. „Wieso lasse ich mich auch einschließen!“ Ich wandte mich an die Arbeiter. Hätte ich das mal eher gemacht. „Das Tor da hinten ist nicht abgeschlossen“ sagte einer, und tatsächlich war das auf. Ich hätte schon längst weg sein können und hatte es nicht gemerkt. In dem Augenblick kam allerdings auch die nette Familie und verabschiedete sich noch einmal von mir. Ich bedankte mich nochmal und fuhr los. In Concepción verfranste ich mich etwas in einem Kreisverkehr. Da hupte es neben mir und da war die nette Familie wieder! Der Junge bedeutete mir, hinter ihnen her zu fahren. Sie fuhren ein ganzes Stück Autobahn vor mir her und ich wunderte mich. An der ersten Zahlstelle stieg der Mann aus. Sie führen jetzt eine andere Richtung. Und ich solle bitte per E-Mail Kontakt mit ihnen halten.
Die Panamericana bot teilweise grandiose Aussichten, mit Schnee bedeckte Berge tauchten am Horizont wie Kegel auf, die Straßenführung war mal ganz gerade, dann wieder bildete sie seichte Rechts- und Linkskurven und manchmal sah man sie wie Wellen vor sich, die sich hoben und senkten
Ich wollte bis Osorno fahren. Diesmal hatte ich einen Campingplatz eingegeben, der direkt vom TomTom vorgeschlagen wurde. Die Fahrt verlief sehr gut, es war ziemlich leer auf der Panamericana. Jedoch wurde es Richtung Süden stets windiger, ich musste vorsichtig fahren, vor allem in den Kurven, auch wenn diese langgezogen waren. Gestern waren übrigens ab und zu Hühner am Randstreifen aufgetaucht, heute zum Glück nicht, aber Fahrräder dürfen am Rand fahren, Fußgänger gibt es auch. Das kommt wohl daher, dass die Überlandbusse dort Haltestellen anfahren, und da müssen die Leute ja hin.
Endlich war ich in Osorno. Es war etwas grüner geworden unterwegs, die Landschaft war leicht hügelig, sie erinnerte mich an meine Heinmat, das Bergische Land, nur haben die Bäume andere Blätter.
Mein Navi führte mich selbstbewusst zu dem gewählten Campingplatz, aber auch hier war es so, dass es bei Kilometer null ratlos war. Ich fragte an einer Tankstelle nach Campingplätzen, aber die hatten keine Ahnung. Wir googelten wieder gemeinsam und sie fanden einen städtischen Campingplatz, der aber nur morgens geöffnet sei, und außerdem konnte das Navi mit dessen Adresse nichts anfangen. Da überkam mich die Wut der Verzweiflung und ich fuhr schnurstracks weiter auf der Straße nach Argentinien, die ich sowieso nehmen wollte. Ich wusste, dass 40 km von Osorno entfernt ein Seengebiet beginnt, und dort sollten Campingplätze sein, das hatte ich gelesen und das hatten mir auch die Leute von der Tankstelle erzählt. Zuerst kam ich zügig voran und freute mich schon, aber dann begannen die Baustellen. Die Straße war stellenweise nur einspurig befahrbar, und sowieso war alles plötzlich Schotterpiste. Das fühlte sich grausam an und ich nahm es als Vorboten der noch kommenden Carreterra Austral, aber als ich die Allradfunktion eingeschaltet hatte, ging es etwas besser. Jedenfalls kam ich noch im Hellen in einem Örtchen an, das Entre Lagos heißt, also zwischen den Seen.
Ich fragte an 1000 Ecken nach Campingplätzen, und irgendwann fand ich tatsächlich einen, wunderschön am See gelegen. Sie hätten alles, warmes Wasser zum Duschen und Strom, nur kein WiFi. Und zu essen konnte mir die Campingbesitzerin einen Burger anbieten. Ich war sehr froh, ich empfand es als eine beachtliche Steigerung, hier auf einem Campingplatz zu stehen, der einer ist, und dazu noch in einer schönen Landschaft. Es ist ein großer See und am Horizont sind Schneeberge, auf den nahen Weiden grasen die Steaklieferanten.
Der Strom entpuppte sich allerdings als eine kleine Ladestation für Handys. Einen Camper könne man hier nicht anschließen, sagte sie, dazu bräuchte man 220 Volt und das gäbe es nicht. Das warme Wasser kam leicht lau in Tröpfchen aus einer Dusche, und den Burger habe ich dann dankend abgelehnt. Eine halbe Stunde zu Fuß sei ein Restaurant, sagte sie mir noch, und da bin ich dann hingegangen. Nach 15 Minuten hatte ich es erreicht.
Ich brauche nicht wirklich Stromanschluss, außer wenn meine elektronischen Geräte leer sind, was gerade mit meinem Fotoapparat passiert ist. Dieses Fahrzeug hat eine Solaranlage auf dem Dach und ich stelle fest, dass die immer lädt. Der Kühlschrank läuft auf Gas. Heute Morgen war es sehr frisch, aber die Gasheizung verwandelt die Kabine in 5 Minuten in ein Tropenparadies. Man muss aufpassen, dass man sie früh genug wieder abschaltet.
Am frühen Morgen war es kalt, aber jetzt ist es spätsommerlich warm, in den See geht allerdings keiner, und ich werde es auch sein lassen.
Heute habe ich eine Wanderung am See entlang gemacht auf der Suche nach einem weiteren Campingplatz. Nach 4 km fand ich diesen. Dort gibt es Strom, aber auch kein WiFi. Und die Duschanlagen sind ähnlich. Also bleibe ich noch eine Nacht hier, weil ich dann in das Restaurant gehen und diesen Bericht hochladen kann, so dass ihr ihn lesen könnt.
Und morgen fahre ich Richtung Argentinien!
Das Foto zeigt den ehemaligen Campingplatz, auf dem ich meine erste Campingnacht verbrachte.
Irgendwo an der Straße an einem verbrannten Waldstück.
Meine zweite Übernachtung, endlich auf einem Campingplatz, direkt am See, kurz hinter dem Ort Entre Lagos!