Ich bin wieder in Chile und kam genau an dem Campingplatz heraus, den ich zu Hause gegoogelt hatte, was für eine Steigerung! Zwar hat dieser Platz nicht das versprochene WiFi und es gibt auch kein angeschlossenes Hostel, aber dazu später mehr.
Wie bereits erwähnt, sagte mein Freund TomTom mir vor dieser Etappe, er kenne diese Gegend nicht. Also fuhr ich nach Karte, kam auch zügig bis Trevelín, doch dann begann die Schotterpiste, abrupt und bösartig fühlt sich das an. Vielleicht war es Nervosität, die mich das Schild „Landesgrenze, Futaleufu“ übersehen ließ, die Bilder von kaputten Reifen spulten in meinem Gehirn ab. Aber ich sah einen jungen Mann, der per Anhalter fahren wollte. Diesen fragte ich nach der richtigen Straße zur chilenischen Grenze. Er könne mich ein Stück begleiten und würde mir per Google den richtigen Weg zeigen. Es ging die Schotterpiste in Steilkurven in die Höhe, so dass ich stellenweise nur im ersten Gang da hinauf kam. Nach ca. 12 km kamen wir an eine Kreuzung und er meinte, er müsse jetzt in eine andere Richtung, ich solle links abbiegen. Leider gab es kein Straßenschild, weder Grenze noch Futaleufu noch die Nummern der Straßen. Ich fuhr noch 2 km und kam wieder an eine Straßengabelung mit Hinweisen, wohin ich nicht wollte. Es kam ein Auto vorbei und man sagte mir, ich führe genau in die falsche Richtung. Ich konnte es drehen wie ich wollte, ich musste die 14 km zurück nach Trevelín.
Ich versuchte, mich nicht zu ärgern und fuhr die Schotterpiste zurück. Kurz vor Trevelín, das ich nicht mehr passieren musste, sah ich von weitem das Schild, das ich vorher übersehen hatte. Ich war endlich auf dem richtigen Weg! Plötzlich wurde auch mein Freund TomTom wach und wollte mich nach Villa Santa Lucia führen, ist ja doch ein lieber Kerl. Es bedeutete aber auch 100 km Schotterpiste. Manchmal reißt es einem auf diesen Straßen trotz 20 km/h fast das Steuer aus den Händen, einige Abschnitte kann man durchaus mit 60 km/h passieren, es gibt aber keine Vorwarnung, wann es plötzlich wieder scheppert. Jedenfalls kam ich zur Grenze Argentiniens, ließ die Prozeduren wieder über mich ergehen. Dort hing ein Plakat mit dem Portrait eines Mannes, der als Sexualstraftäter unterwegs war und gesucht wurde. Noch einmal nehme ich keinen Anhalter mit.
Ich kam an die chilenische Seite der Grenze. Dieses Mal wurde ich sehr wohl kontrolliert, sie schauten in alle Schubläden und unter die Matratze. Der Zollbeamte öffnete den Kühlschrank und ließ mir die Milch. Dafür war ich ihm sehr dankbar, weil es eine Flasche mit Verschluss ist, und die gibt es nicht überall. Brot, Butter und Belag hatte ich sowieso schon entsorgt.
Super, ich durfte weiterfahren, und es geschah sogar ein Wunder. Die Straße war ab der Grenze asphaltiert! Als ich mich schon freute und dachte, dass die Landkarte vielleicht veraltet ist, weil laut dieser die Schotterpiste bis Villa Santa Lucia geht, fehlte wieder die Asphaltschicht.
Ich kam an eine Art Kneipe oder etwas in der Art, jedenfalls stand dran, man könne was zu sich nehmen. Ob ich auch etwas zu essen haben könnte, fragte ich. Ich verstand, dass die Dame verneinte. Aber auf einmal brachte sie mir ein knochentrockenes Brötchen mit einem mit Essig beträufelten Salatblatt und einer Art Hackfleischsoße zwischen den Hälften. Ich zwang mich, das Ding vollständig aufzuessen, obwohl es sehr trocken war. Statt Kaffee bekam ich heißes Wasser, und dazu reichte sie mir Instantkaffee und Milchpulver.
Trotzdem war ich gestärkt und nahm die letzten 30 km Schotterpiste in Angriff. Es ging am Lago Yelcho entlang, im Hintergrund ragten Berge mit Schneefeldern auf. Der Lago Yelcho ist ein sehr kalt aussehender See, manche Buchten waren mit Schilf zugewachsen.
Und dann war ich in Villa Santa Lucia direkt an meinem angesteuerten Campingplatz. Die Stadt ist eine Ansammlung von Holzhäuschen, und in den Berg hinein, an dem diese Stadt liegt, ist ein Streifen wie umgegrabene Erde mit vielen chilenischen Fahnen. „Das sieht seltsam aus“ dachte ich. Ich suchte den Eingang des Campingplatzes, fand aber nur den des angeschlossenen kleinen Lebensmittelladens. Auf die Frage nach dem Eingang des Campingplatzes machte der Besitzer mir einen günstigen Preis und dann das Tor auf.
Strom gibt es nicht, WiFi schon einmal überhaupt nicht, aber in der Mitte der Straße zwei Straßenzüge weiter sei ein offenes Netz. Er half mir noch, meinen Wassertank zu befüllen. Wenigstens das hatte er im Angebot.
Ich ging entlang der Carreterra Austral joggen, die direkt am Campingplatz anfängt und schön asphaltiert ist. Als ich von meinem Lauf zurück kam, kamen immer mehr Fahrradfahrer, die die Carreterra Austral auf diese Art nehmen, auf dem Platz an. Auf einmal hörte ich nur noch meine Muttersprache. Während ich da stand und mit den jungen Leuten redete, kam ein älterer Mann vorbei, der auch mit dem Fahrrad unterwegs war. Im Gegensatz zu den jungen Leuten, die alle um mein Auto herum zelten, schläft er in einem Hostel. Er lud mich dorthin zum Kaffee mit Kuchen ein. Wir unterhielten uns ein wenig. Er ist pensionierter Lehrer oder Professor aus dem Saarland und ist allein unterwegs, weil seine Frau noch arbeiten muss. Er erzählte mir, dass der Campingplatz tatsächlich an einem Hostel gelegen hatte und auch mit allem ausgestattet war. Was jetzt noch hier stehe, seien die Überreste einer Katastrophe. Der größte Teil des Berges sei vor 2 Jahren in großer Geschwindigkeit in das Städtchen gerutscht und habe sehr viele Häuser unter sich begraben. Jede Fahne, die den Hang hinauf steht, erinnert an ein zerstörtes Haus und die Bewohner, die alle tot sind. Ein einziges Haus sei stehen geblieben und dessen Bewohner hätten überlebt. Deshalb sieht hier alles so kahl und provisorisch aus.
Aber ich habe einen guten Platz, die Dusche und die Toiletten sind sehr sauber. Um mich herum sind die Zelte. Es regnet heute Abend zum ersten Mal seit Beginn meiner Reise, es ist aber nicht kalt. Ich werde früh schlafen gehen und morgen weiterreisen, als Ziel werde ich Coyhaique angeben, aber das werde ich nicht schaffen und brauche es auch nicht, weil an dieser Straße 7, wie sie offiziell heißt, mehrere Campingplätze liegen sollen, und vielleicht gibt es irgendwo sogar W-Lan.
Ein Gedanke, den ich unterwegs hatte, zum Abschluss: Wenn man in unseren Städten die Asphaltdeckschicht abfräsen würde, käme es sicherlich ganz schnell zu wesentlichen Luftverbesserungen. Oder würde man in Deutschland das gute Auto ruinieren, selbst wenn es ein SUV-Allradwagen ist? Würde man in Deutschland gern ständig Staub von der Straße zwischen den Zähnen haben, so dass es knirscht? Ich denke, man würde seinen SUV in der Garage lassen, damit er nicht vollstaubt und sich schnellstens ein Pferd besorgen, wenn man nicht schon eins hat.