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Lago General Carrera, Pto Guadal

Der Weg nach Puerto Guadal

Gestern Abend lernte ich noch 2 junge Deutsche kennen, die durch Chile trampen. Ob ich sie nicht 50 km weit mitnehmen könnte, fragten sie, aber ich habe ja nur einen Platz frei. Sie wollten sich auch gern trennen, und obwohl mein Beifahrersitz nur einen kaputten Sicherheitsgurt hat, nahm ich einen von beiden mit.

 

Ich sollte mich beeilen, sagte mein französischer Platznachbar, es gäbe am Anfang der Schotterpiste eine riesige Baustelle, und die würden sie zwischen eins und vier am Nachmittag schließen. Der Campingplatzbetreiber bestätigte das. Felix, so hieß mein Begleiter, putzte sich daraufhin schnell noch die Zähne und ich installierte das Navi.

 

Eigentlich wollte ich endlich mal den Reifendruck prüfen, dafür hätte ich aber noch einen Umweg fahren müssen, was ich mir dann sparte. Die Piste sollte man auch lieber mit schlappen Reifen fahren. Zuerst ging es aber über eine wunderbar asphaltierte Carreterra Austral und ich freute mich über jeden Kilometer. Wir kamen an eine Stelle mit einem atemberaubenden Panoramablick, aber ich traute mich nicht anzuhalten und zu fotografieren, weil ich vor ein Uhr an dieser Baustelle sein wollte. Felix unterhielt mich gut, er macht eine Zeitlang Pause zwischen Bachelor und Master und schaut sich Südamerika an. Dann musste er aussteigen, weil er sich mit anderen jungen Leuten hier zu einer Bergtour verabredet hatte. Sie machen das alle so wie er, sie trampen und treffen sich wieder. Er lud mich noch ein mitzukommen, aber ich will meinen Reiseplan einhalten.

 

Bald kam ich tatsächlich an eine Riesenbaustelle, es gab kleine Sperren und der Verkehr wurde immer nur von einer Seite durchgelassen, einmal wurde es ziemlich spannend, ein Schaufelbagger räumte ein paar Riesensteine für mich von der „Straße“ und dann konnte ich haarscharf passieren.

 

Die dreistündige Sperre gab es nicht!

 

Nach der Baustelle begannen die ungefähr 170 km Buckelpiste, streckenweise konnte ich 50 oder 60 Stundenkilometer fahren, dann aber wieder begannen die von mir mittlerweile sehr gefürchteten Querrillen und 15 km/h waren schon zu viel. Ich brauchte fast 5 Stunden für diese Buckelpiste. Dabei vergaß ich zu essen und zu trinken, bekam Kopfschmerzen, fuhr aber tapfer weiter, bis ich plötzlich ein smaragdgrün glänzendes Wasser zwischen Schneebergen erblickte. Ich war am Lago General Carrera! Das Panorama war fantastisch, ich wollte unbedingt hierhin und was sind schon ein bisschen Kopfschmerzen! In Puerto Rio Tranquilo erreichte ich eine Tankstelle, und weil ich mich etwas unbeholfen bei der Reifenkontrolle verhielt, half der Tankwart mir und erklärte mir das System. Ich war mit viel zu wenig Reifendruck gefahren. Um an mein Etappenziel, Puerto Guadal zu gelangen, musste ich noch ein Stück der Carreterra Austral folgen, aber mein Freund TomTom wurde auf einmal gesprächig und meinte, ich solle nach 300 m links abbiegen und 100 m weiter forderte er mich auf zu wenden. „Ohne Straße, in die Sträucher? Du spinnst wohl“ erwiderte ich und fuhr einfach geradeaus weiter. Aber wenn man allein im Auto sitzt, verunsichert einen so etwas schon. Diese Schreckensstraße zurückzufahren, wäre für mich eine Katastrophe geworden. Ich schaute mir die Karte an, schimpfte mein Navi aus und fuhr geradeaus. Die Kreuzung nach Puerto Guadal erschien dann genau da, wo sie auch laut Karte sein sollte.

 

Daraufhin wurde auch Freund TomTom wieder nett zu mir und fand sofort den einzigen Campingplatz für Wohnmobile, ohne zu drehen, ohne konfus zu sein. Ich stehe auf einer grünen Kleewiese unter Obstbäumen, es gibt zwar pro Geschlecht nur jeweils eine Dusche und eine Toilette, aber die sind äußerst gepflegt. Es gibt Blumenbeete und auch sonst alles. Als ich ankam, war es noch angenehm warm, alles schien mich freundlich zu begrüßen. Der Mann der Campingplatzbesitzerin kam zu Pferd mit seinen drei Hunden nach Hause und ich durfte ihn fotografieren.

 

Noch ein paar Worte zum Wetter. Als ich am Ufer des Lago General Carrera ankam und zum Fotografieren ausstieg, blies mir ein sehr heftiger und eiskalter Wind um die Ohren. Hier auf dem Campingplatz, der ein paar hundert Meter vom Ufer entfernt liegt, war es, wie gesagt, angenehm. Ich bin in eine Region gekommen, in der die Nachttemperatur 10 Grad unterschreitet, sobald die Sonne erscheint, wird es angenehm und gegen 17.00 ist es am wärmsten, die Sonne scheint kräftig, im Schatten ist es allerdings frisch. 

 

Begegnungen

Auf dem Campingplatz angekommen, startete ich meinen Erkundungsgang durch das Örtchen. Den vagen Plan einer Joggingrunde verwarf ich und schaute lieber nach Lebensmitteln und Restaurants. Unterwegs lachte mich ein kleines Mädchen an und darüber kam ich ins Gespräch mit einer älteren Frau, vielleicht der Großmutter. „Ich habe ein Restaurant, da gibt es was du willst, und schlafen kannst du bei uns auch, wir haben auch Zimmer.“ Ich kaufte dann noch ein paar Kleinigkeiten in einem „Supermarkt“ (ist übertrieben), ging duschen und zur Oma, um dort zu essen. Die Tür war aber zu und niemand reagierte. Also klopfte ich bei den Nachbarn an, die gerade Steaks schnitten, weil es eine Fleischerei war. Ich hätte nicht richtig geschellt, also versuchte ich es noch einmal, und da kam die Oma und eine jüngere Frau. Ich wählte Lachs. Die Kartoffeln dazu nahm die jüngere Frau aus einem Sack im Speiseraum neben mir, die Tomaten für einen Salat aus dem Kühlschrank daneben, und dann verschwand sie mit diesen Zutaten in der Küche. Die alte Frau schien nun zu kochen. Ich schaute mich ein wenig um, sah einen alten Herd als Schmuckstück in der Gaststube und eine alte Nähmaschine. Das sei die einzige Erinnerung an ihre Mutter, erzählte mir die junge Frau. Sie sei sechs Tage nach ihrer Geburt gestorben.

 

Das Essen kam schneller als ich dachte. Dabei kam die alte Frau aus der Küche und unterhielt mich weiter. Sie habe die junge Frau großgezogen, weil sie ja keine Mutter mehr hatte. Ihr Mann sei vor sieben Jahren gestorben und ich sollte mal raten, wie alt sie sei. Sie sagte dann aber selbst, sie sei 80. Das hätte ich nicht gedacht. „Allein sein ist nicht schön“ sagte sie noch.

 

Vor dem Essen kam auf dem Campingplatz ein baugleiches Campingfahrzeug des Campingvermieters an, von dem auch mein Auto stammt. Ein holländisches Paar kam ziemlich verzweifelt heraus. Ihr gesamtes Bett mit Bettzeug und Polstern war völlig durchnässt. Sie hatten im Regen gestanden und dabei leider festgestellt, dass die Camperkabine undicht ist. Sie hatten auch schon den Vermieter angerufen und die Antwort bekommen, sie sollten sich für die Nacht ein Hotel suchen. „Wo sollen wir das denn so schnell her bekommen?“ Ich hätte eins gewusst, denn als ich beim Essen saß, kamen dort zwei junge Frauen herein, die sofort ein Zimmer mieten konnten. Ich drückte aber mein Mitleid mit ihnen aus und dachte dabei, dass mir das ja genauso gut hätte passieren können. Es ist genau das gleiche Fahrzeug! Wieder hatte ich Glück.

 

Später ging ich noch in den Aufenthaltsraum des Campingplatzes, um mich etwas aufzuwärmen, Gas zu sparen und vielleicht noch ein bisschen zu reden. Hier saß ein junges holländisches Paar und das Paar mit dem Camper, die in etwa in meinem Alter sind. Während ich ihnen gegenüber noch mein Bedauern ausdrückte, meinte der Mann, er könne ja bei mir übernachten, worauf die Frau sehr einsilbig wurde und ich eine gute Nacht wünschte. Heute Morgen führte ich aber wieder ein nettes Gespräch mit der Frau.

 

Heute ging ich ein Stück am See spazieren, kam aber nicht recht voran, weil alles eingezäunt oder nicht begehbar ist. Ich versuchte noch ein Stück Schotterpiste in die Richtung zu gehen, die ich morgen fahren würde, aber das machte keinen Spaß. Es knirscht sehr zwischen den Zähnen. Danach fand ich auf der anderen Straßenseite einen kleinen Weg, den ich neugierig verfolgte, weil dort „nicht touristischer ökologischer Campingplatz“ stand. Ich landete auf einem Stück Land mit Gemüse- und Blumenbeeten. Es gab auch ein Gewächshaus. Ein junger Mann wies mir den Weg zu einer Toilette, die streng ökologisch angelegt war. Wenn man den Toilettendeckel hob, schaute man nach unten in eine Tonne mit Holzspänen. Man solle aus der Flasche neben der Toilette ein wenig Wasser einkippen, wenn man nur Pipi gemacht hätte. Das tat ich.

 

Ich ging zurück zu dem jungen Mann und lobte den Campingplatz. Ich mochte seinen Idealismus. Er wies mir einen kleinen Rundweg, den ich einmal gehen sollte, er würde mir gefallen. Ich kam an einen kleinen Wasserfall, wo es wunderbar ruhig war. Davor hatte er eine Holzschaukel für Kinder angebracht. Danach folgte ich ein paar Stufen in den Wald und fand einen kleinen Felsen, an den er eine Leiter angebracht hatte. Da sollte man entspannen, und das funktionierte gut. Ich ging den Rundweg zu Ende und kam an einem weiteren Beet mit Salatpflanzen heraus. Das alles hat mir sehr gut gefallen.

 

Morgen will ich weiter nach Chile Chico an der Grenze zu Argentinien, und dann kommt nächste Woche die Ruta 40, die ich nicht einschätzen kann und die mich etwas nervös macht. Die einen sagen, sie sei einfach zu fahren und hätte nur 70 km Piste, gerade habe ich aber gelesen, dass diese 70 km sich bei Regen in eine Schlammbahn verwandeln. Wer immer das liest, drücke mir bitte die Daumen, dass es nächste Woche nicht regnet!

 

Das ist der Felix, dem ich gesagt habe, dass ich einen Blog schreibe. Als wir uns verabschiedeten, war die Carreterra Austral noch gut asphaltiert.

Das ist der Lago General Carrera, dem ich weiter nach Chile Chico folgen werde. Es ist der größte See Südamerikas und heißt auf der argentinischen Seite Lage Buenos Aires.

Hier ist ein Stück Garten des ökologischen Campingplatzes mit Blick auf den See. Mit dem Camper konnte man dort nicht hinauffahren.