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Ein Sonntag in Chile Chico

Heute Morgen schlief ich mich aus, was den Vorteil hat, dass die Wintertemperatur der Nächte bereits langsam in die Frühlingstemperatur übergeht und ich nicht so viel Gas brauche. Denn entweder muss meine zweite Flasche jetzt leer sein oder ich bin etwas sparsam und komme mit dieser und der in Cisnes gekauften Reserveflasche wieder nach Chile rein. Die argentinischen Gasflaschen passen nicht, und morgen fahre ich wieder über die Grenze.

Ich frühstückte also gemütlich, wobei die Sonne bereits die Fensterscheibe in meinem Rücken wärmte. Dann entschloss ich mich, einen Weg am See stadtauswärts zu finden, was mir auch gelang. Ich war allein mit den Wellen und den Wolken, der Sonne und dem Wind. Aber auf einmal hatte ich einen Begleiter, den ich überhaupt nicht darum gebeten hatte, neben mir herzulaufen. Ich wurde ihn jedoch nicht los. Die Sprache des Weggefährten kannte ich wirklich nicht, es war nämlich ein Hund. Da er jedoch so ähnlich aussah wie der Konrad, das ist der Hund eines meiner Söhne, nur war er nicht ganz so groß und auch schlanker, ließ ich ihn mitlaufen und versuchte ihn zu ignorieren. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht die allergrößte Hundefreundin bin. Aber auf einmal kamen viele Hunde aus einem Anwesen, und die fingen alle ein großes Gekläffe mit meiner Hundebegleitung an, und meine Hundebegleitung schaute nicht nur, sondern knurrte mich an, und da wurde mir das zu ungemütlich. "Hund, denkst du etwa, ich helfe dir kämpfen, oder was soll das?"

Ich drehte um, obwohl ich gern noch ein Stück weiter gegangen wäre, und mein Begleiter trottete gemütlich wieder mit. Als ich schon fast wieder am Campingplatz war, drehte er ab und ging in sein Haus.

Danach ging ich im Sommeroutfit joggen (ab mittags ist Sommer), diesmal an der Straße Richtung Argentinien entlang, wo ich morgen entlangfahren werde. Ich bewunderte den makellosen Zustand der Asphaltdecke.... Wie ich mich auf die Fahrt freue, und das Auto erst! Als ich nach der langen Ruckelpiste in Puerto Guadal ankam, meiner vorigen Station, hat es nämlich zum Schluss komisch beim Fahren gefiepst. Ich vergaß das zu berichten. Gestern hatte es sich aber beruhigt.

Vor dem Joggen fragte ich noch den Campingplatzbetreiber, ob es auch gleich warmes Wasser zum Duschen gäbe, was er bejahte. Leider war die Dusche besetzt, als ich sie dann brauchte. Als nach 10 Minuten immer noch das Wasser floss, klopfte ich an. Eine sehr junge Frau öffnete kurz und bat um noch eine Minute. Nach weiteren 5 Minuten klopfte ich aggressiver und fragte sie, ob sie da drinnen Wäsche wüsche. Sie verstand kein Spanisch, ihr Englisch verstand ich nicht, ich bekam aber heraus, dass sie aus Frankreich kam. Na, geht doch. Ja, die Dusche sei kalt und sie käme nicht mehr zurecht, dabei kam sie immer mal wieder heraus und stellte am Warmwasserbereiter herum. Ich ging endlich in die Herrendusche, die warmes Wasser spendete, also eigentlich viel zu heißes Wasser, weil das Mädchen ja ständig alles verstellte. Diese Duschkabine hatte nur die Macke, dass sie nicht abschließbar war. Irgendwann stand der Begleiter der Französin vor mir, machte die Tür aber schnell wieder zu. 

Später kam ich nochmal mit ihnen ins Gespräch. Sie haben in Frankreich nichts mehr, keine Wohnung und keinen Job. Sie reisen mit einem alten VW-Bus durch Südamerika, in möglichst alle Länder, ohne spanisch zu können. Der VW-Bus sei ihr einziges Zuhause und sie könnten damit fahren bis ans Lebensende. Sie meinten wohl ihr eigenes Lebensende, aber ich fürchte, der Bus erreicht es schneller. Ich wollte nicht fragen, wie das alles ohne Geld geht. Es sind eben Aussteiger und irgendwann werden sie wieder einsteigen müssen, aber das ist ihr Problem.

Ich ging nochmal in den Ort, um noch irgendeine Essensergänzung für heute Abend zu besorgen, dachte aber unterwegs, ich könnte auch ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee finden. Daraus wurde dann ein Bier und ein, was weiß ich, hamburgerähnliches Gebilde, weil es nichts anderes gab. Außerdem war diese Kneipe der Treffpunkt des Motorradclubs "Condore über dem Abgrund, Coyhaique, Región Aisén". Einer trug ein durchgestrichenes Hakenkreuz auf seiner Kutte zum Zeichen, dass sie damit nichts zu tun haben wollten. Ich stellte mich ihnen als Deutsche vor. Da lachten sie und nahmen mich in ihre Mitte auf. Sie schenkten mir noch einen Anstecker ihres Motorradclubs.

Dieser Campingplatz hier war übrigens der ungepflegteste, den ich bisher erwischt habe, außer natürlich dem allerersten, der ja keiner mehr war. Dafür hat der Betreiber mein Auto gesäubert, na ja, so einigermaßen.

 

Chile Chico von einer Aussichtsplattform aus. Man sieht hier die quadratische Anordnung der Straßen, von der Hauptstraße ausgehend. In allen Städten und Orten, in denen ich bisher war, einschließlich Santiago, ist das so. Noch zum Bild oben: Die Gegend ist berühmt für ihre Kirschen.

Hier ein paar Condore über dem Abgrund, und ich! Nur dass meine Art, über dem Abgrund zu schweben, eine etwas andere ist.