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Östliches Münsterland

20.08.20 (Donnerstag)

Noch einen Sommerausflug unter Coronabedingungen habe ich mir gegönnt, dieses Mal nur über ein von mir eigenständig verlängertes Wochenende. Am heißesten Wochenende des Sommers, vor zwei Wochen, gab es in einem Umkreis von 200 km keinen freien Platz mehr an einem See, Teich oder auch nur Tümpel. Also schwitzte ich zu Hause. Das Freibad ist mir dieses Jahr verleidet, man muss sich extra anmelden. Einen Wecker zu stellen, um pünktlich zum Schwimmen zu kommen, passt nicht zu dieser Freizeitaktivität, finde ich, weil es dann keine Freizeit mehr ist, sondern Stresszeit.

Aber nun, 2 Wochen später, habe ich einen der in diesem Sommer raren Plätze ergattert, Pool Position, Nummer 1, alles im Blick, nur das Wetter ist jetzt durchwachsen.

Am Donnerstagnachmittag, nach einem Kurzbesuch beim Zahnarzt, holte ich mein mobiles Tiny Home. Die erste Tankstelle, die ich hauptsächlich zum Prüfen des Reifendrucks ansteuerte, war geschlossen. Bei der zweiten waren die Ventile an den zwei Reifendruckapparaten verschlissen, so dass ich Luft abließ, statt zu füllen oder nur zu prüfen. Der freundliche Mann von der Tankstelle wechselte daraufhin das Ventil, und schon ging es. So vergeigte ich nur 45 Minuten in großer Mittagshitze. Ich fuhr halb in meine Einfahrt – elegant schaffe ich das immer noch nicht, vor allem nicht in großer Hitze – und packte. Der freundliche Nachbar half mir wieder mit dem Fahrrad, und schon ging es los. Ich hatte nur gut 100 km zu fahren, und das ging zügig, zwei Drittel des Weges A2 und der Rest Landstraße in Richtung Warendorf. Das ist schwarzes Münsterland, merkte ich bald, vor allem beim Blick auf die Wahlplakate. Wir haben im September Kommunalwahl.

Also hier findet man die Bauern mit den Riesenkartoffeln (und noch riesigeren Maisfeldern). Und sonst nicht viel. Aber es ist schließlich Coronasommer und ich will auch nicht viel finden, vor allem keine großen Städte mit vielen Menschen.

Auf dem Campingplatz angekommen, richtete ich mein kleines rollendes Heim tatsächlich sehr ordentlich, mehrmals rückwärts kurvend, genau so aus, wie es mir optimal schien. Neben mir ist eine Eiche, so dass ich immer Schatten habe, ohne die Markise ausfahren zu müssen. Es könnte Unwetter geben, also vermied ich das Risiko einer Havarie.

Das Wasser lief mir inzwischen aus allen Poren am Körper hinunter. Das Ausziehen der nassen Sachen bereitete Mühe. Ich habe seit langem nicht mehr so schnell einen See gefunden, inzwischen mit Bikini und Handtuch bekleidet. Ja, es lohnt sich, ein Auto für ein paar Tage zu packen, damit loszufahren und vollkommen schweißüberströmt an ein Wasser zu gelangen. Den Freibadbesuch finde ich komplizierter. Da der kleine See nur von den Campern benutzt werden darf, ist es leer, es gibt einen schönen Sandstrand, und man kann hineinspringen, wann und so oft man will. Dass der See eigentlich mehr ein Teich ist, kümmert mich nicht. Ich brauche für mich allein nicht unbedingt den Bodensee. Der war übrigens sehr kalt, als ich da mal war.

Nach dem ausgiebigen Bad und einer Dusche in einem zu der Zeit leeren Sanitärgebäude probierte ich meinen neuen Außen-Campingkocher aus. An meinem Tischchen sitzend, mit einem Glas kaltem Lugana, einer kleinen Vorspeise und das Brutzeln meiner Hauptmahlzeit beobachtend, ging es mir sehr gut. Nach dem Essen schaffte ich es nicht mehr, mich irgendwohin zu bewegen. Ich saß da vor meiner Bleibe und las auf meinem Kindle. Ich schlief danach neun Stunden.

 

21.08.20 (Freitag)

Es hat die ganze Nacht geregnet, aber die Schwüle hat nicht abgenommen. Ich hatte nach dem Aufwachen keinen Plan. Der Regen hatte zwar aufgehört, die Wolken verhießen jedoch nicht einen regenlosen Tag. Für die Natur ist der Regen gut, für die Kartoffeln und sonstige Feldfrüchte kommt er zu spät. Ich entschied mich dafür, einen Ausflug mit dem Rad zu machen, vorsichtshalber mit Regenjacke. An der Kreuzung vor dem Campingplatz entschied ich mich für Warendorf, das seien nur knapp 12 km, sagte das Schild. Das nächste richtungsweisende Fahrradschild verunsicherte mich bereits, so dass ich weiter mit Google fuhr. Zügig, weil hier alles platt ist, kam ich in Warendorf an. Dort wurde mir klar, dass diese kleine Kreisstadt an der Ems liegt. Ich ging durch die Einkaufsstraße, trank einen Kaffee, schlenderte dann weiter zur Kirche, vor der ein Kräuterbeet angelegt ist. Überall stehen Pferdeskulpturen herum. Die Stadt wirkt gemütlich mit ihren zum Teil alten Fachwerkhäusern, alles ist sauber, um die Kirche herum stehen Bänke und laden zum Sitzen ein.

Übrigens hatte es auf dem Hinweg geregnet, aber als ich dort in der Innenstadt, auf einer Bank sitzend, vor mich hinschaute, also eigentlich mit einer meiner Töchter telefonierte, kam die Sonne heraus. Die schwüle Hitze war wieder da und ich fuhr zügig zurück, um das Badeerlebnis des Vortags ausgiebig zu wiederholen. Am Abend regnete es leicht auf meinen Außenkocher, als ich mein Essen brutzelte, aber ich schaffte es, den Garvorgang vor dem plötzlich einsetzenden Wolkenbruch zu beenden, um in meiner gemütlichen Bude zu essen.

Die Flasche mit dem Lugana ist jetzt leer.

 

22.08.20 (Samstag)

Heute habe ich einen Plan. Der besteht daraus, dass ich den Vormittag ein wenig vertrödele, die Wolken beobachte und mich am frühen Mittag entschließe, joggen zu gehen. Das ist heute das Hauptmenü, um das ich alles andere herum garniere. Also laufe ich los, einfach immer geradeaus, ohne Google und ohne Karte. Ortsnamen sind hier rar und ich laufe genau in die Richtung, in die kein einziger Ortsname zeigt. Es ist ein Vogelschutzgebiet. Ich laufe gut 5 Kilometer und sehe eine Frau mit 2 Hunden und einen Traktor, der mir entgegenkommt, und sonst keinen Menschen. Hier ist es fast so leer wie in der argentinischen Pampa (wenn man die Fortbewegungsart verlangsamt, also läuft statt Auto fährt). Die Gefahrenstufe, der ich mich hier aussetze, ist vergleichbar mit der Pampa am Andenrand. Zwar gibt es keine Pumas, aber ich laufe einen Weg entlang, der von Eichen gesäumt ist und lese das Schild „Achtung, Eichenprozessionsspinner“.

Gefahren lauern tatsächlich überall, auch im spärlich besiedelten westdeutschen Farmland. Und dabei habe ich wegen der Ansteckungsgefahr mit Corona extra die Städte gemieden; Berlin zum Beispiel, wo zurzeit extrem viele Spinner herumlaufen, allerdings auf zwei Beinen, während die Spinner hier ein paar Beine mehr haben.

Ich laufe denselben Weg zurück und versuche, nicht unter den Eichen her zu laufen. Unter meinen Joggingsachen trage ich Bikini, und so kann ich, Shirt und Shorts abstreifend, sofort in den Teich rennen. Der Abkühleffekt ist wieder grandios! Danach mache ich aber mal Pause, esse etwas schnell Zubereitetes, lese und döse in der inzwischen wieder zwischen weißen Sommerwolken scheinenden Sonne. Am Nachmittag fahre ich den Weg, den ich gelaufen bin, nochmal langsam mit dem Fahrrad ab. Ich fahre noch ungefähr einen Kilometer weiter. Dort sehe ich zwei Bauernhöfe und ein Hofladenschild. Ich würde Honig kaufen, wenn sie welchen hätten. Aber der Laden hatte nur Spargel im Angebot und ist jetzt natürlich geschlossen. Auf dem Rückweg sehe ich einen riesengroßen Hasen über ein abgeerntetes Feld hechten, und ich sehe noch zwei oder drei Rebhühner am Ackerrand. Als ich endlich die korrekte Zoomeinstellung für die Kamera gefunden habe, sind sie weg.

Sport habe ich nun genug gemacht, einen kleinen Triathlon sogar! Die Schwimmstrecke war zwar ein bisschen kurz, aber sonst zweimal 12 Kilometer! Ich trinke jetzt ein großes Hefeweizen im Biergarten des Campingplatzes, mit Alkohol.

 

Nach dem Abendessen, wieder mit meinem neuen Campingkocher zubereitet, drehe ich eine Runde zu Fuß um den Teich. Ich mache Fotos vom Sonnenuntergang und spreche kurz eine einsam auf ihrem Hocker sitzende Anglerin an. „In dem Teich sind sehr viele Fischarten, vom Hecht bis zur Forelle, die werden regelmäßig eingesetzt“ erzählt sie mir und ist sicher, dass sie noch einen Fisch zum Abendessen angelt. Ich wünsche ihr Glück und schonmal guten Appetit im Voraus. 

Warendorf

Kircheneingang mit Kräuterbeet

Der Badeteich von der entgegengesetzten Seite fotografiert.

Und nochmal am Abend

23.08.20 (Sonntag)

Ich mache noch einen kleinen Ausflug mit dem Rad nach Versmold, wo ein Stadtfest unter Coronabedingungen stattfindet. Ein mit weißem Anzug und Hut bekleideter älterer Herr singt Schlager aus der Steinzeit und fegt damit den Platz leer. Das ist wohl so geplant, denn es herrscht ja Corona. Am Würstchenstand steht niemand und am Bierstand auch nicht. Ich finde einen Eissalon in sicherer Entfernung von dem Gejaule. Hauptsächlich war ich auf der Suche nach einem Stück Brot für den nächsten Tag, weil meine letzten beiden Brotscheiben verschimmelt waren. Als ich ein Brötchen gefunden habe, fahre ich zurück zum Campingplatz.

Ich hätte am Nachmittag zurückfahren können, verpasste aber irgendwie den Zeitpunkt. So vertrödelte ich den Rest des Sonntags und packte meine Außenmöbel ein. Der Tag verabschiedete sich mit Regen und ich verabschiedete mich am nächsten Morgen von einem wirklich gut gepflegten Fünf-Sterne-Campingplatz mit Schwimmteich in Versmold-Peckeloh.