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Florenz

Ich sitze auf dem Campingplatz in Florenz, genauer gesagt 5 km vom historischen Stadtkern entfernt. Mit dem Fahrrad kann ich immer am Arno entlang fahren, es gibt einen guten Radweg, nur die letzten 500 m bis zum Ponte Vecchio muss man sich irgendwie durchschieben. 

Letzten Sonntag bin ich losgefahren, es ging alles ganz problemlos. An keiner der beiden Grenzen wollte jemand einen Impfpass sehen, das vom Auswärtigen Amt vorgeschriebene Registrierungsformular für die Einreise nach Italien - auf Italienisch! - führte ich ebenfalls unnötigerweise mit. In Como an der italienischen Grenze standen zwar 4 Beamte, aber die nickten nur und winkten. Der Stau von einer halben Stunde entstand lediglich dadurch, dass die zweispurige Autobahn an der Grenze in eine einzige Spur überführt wird. 

Der Campingplatz an der Autobahn in Como war passabel für eine Nacht. Ich blieb jedoch zwei Nächte, weil ich das so geplant hatte und weil ich etwas erschöpft war. Man konnte dort aber nichts unternehmen. Mit dem Fahrrad in die Stadt zu fahren, war mir zu gefährlich an der Straße entlang. Joggen ging auch nicht, weil es keinen Weg gab. So entspannte ich im Swimming Pool und ließ mich von den Mücken stechen und den Ameisen beißen. Als ich dann hinter der Hecke noch eine Ratte sah, war ich froh weiterzufahren. 

Der Campingplatz in Florenz war leicht zu finden, direkt an einer Durchfahrtangente, von der Autobahn abgehend. Die Parzellen sind mit kleinen Hecken abgetrennt, sie sind jedoch relativ klein und man ist ziemlich nah am Nachbarn. Italiener sind hier kaum, hauptsächlich sehe ich deutsche Nummernschilder, und niederländische an zweiter Stelle. Es ist nicht gerade der am besten geeignete Ort, um italienisch zu sprechen. Deswegen habe ich mir eine italienische Zeitung gekauft. 

Am Tag nach meiner Ankunft verbrachte ich gut drei Stunden in den Uffizien. Später war mir schwindlig vom vielen Bilder anschauen. Die Bilder aus dem 15. Jahrhundert der nicht so bekannten Meister, jedenfalls mir nicht, mit immer wiederkehrenden Darstellungen der Maria mit dem Kind ließen in mir einen gewissen Verdacht aufkommen. Es drängen sich Parallelen auf zu gewissen aktuellen Skandalen, die man oft bei frommen Kirchenleuten findet. Die Gesichter der Kinder sind nach meinem heutigen Verständnis hässlich, die Proportionen stimmen ja auch noch nicht. Aber die Penisse sind stets gut dargestellt. Seht alle her, Jesus ist ein Junge. In der Bibel steht übrigens schon, dass Maria das Kind in Windeln wickelte, aber das hatte man wohl über die Jahrhunderte vergessen. Hier und da begrüßte sogar ein Bischof mit der repräsentativen Mütze das Jesuskind. Wie das wohl zeitlich zusammenpasst, fragte ich mich. 

Allerdings faszinierten mich doch die Darstellungen von Tintoretto, Tizian, da Vinci, Boticelli und anderen Malern. Sie spielten viel mehr mit Licht und Schatten. Aber selbst die Geburt der Venus ging fast unter. Ich war schon vom vielen Schauen erschlagen, als ich vor diesem Bild stand. 

Ich kam zu dem Schluss, dass man die berühmten Bilder nur bewundern kann, wenn man nicht mehr als drei oder vier sieht und dann damit aufhört. Aber ich dachte so wie jeder Besucher wahrscheinlich auch, dass man für sein Ticket möglichst alles sehen muss. Man hat es ja bezahlt. So wie "all inclusive", das muss man ausnutzen, bis man platzt.

Gestern machte ich mich auf zum Palazzo Pitti. Der ist in dem Ticket, das ich mir reserviert hatte, enthalten. Da das Museum aber erst am Nachmittag öffnete, ging ich zuerst durch den riesigen Garten hinter dem Palazzo. Der heißt Bobili-Garten und man soll ihn bewundern, weil er so groß und so schön ist. Nach einer guten Stunde hatte ich keine Lust mehr auf Bewunderung, bei ungefähr 30° im Schatten und vielen Treppenstufen. Ich dachte nur noch, dass mal jemand Unkraut jäten sollte. Zwischendurch hatte ich eine Unterhaltung mit einem italienischen Ehepaar, die lobten meine italienische Aussprache. Ich spräche zwar langsam, aber ohne deutschen Akzent. Das machte mich richtig froh. Sie können ja nicht wissen, dass der Bergische Singsang-Dialekt dem italienischen Ziehen der Worte, gleich überbackenem Käse, irgendwie ähnlich ist.

Nach einem kleinen Salat, begleitet von einer kalten Cola, in einer Kneipe in einer Seitenstraße, verbrachte ich den Nachmittag mit der Besichtigung weiterer Gemälde aus dem 16. und 17. Jahrhundert, um danach an die Werke zwischen ungefähr 1850 bis zum frühen 20. Jahrhundert herangeführt zu werden. Das hat mir sehr gut gefallen. Man nennt es, glaube ich, Neoklassizismus. Die Darstellungen sind genauer, präziser, wirken wie fotografiert, die Farben werden heller. Die Renaissance hat zwar auch eine Präzision der Gesichter und Gewänder, aber alles ist mehr ins Dunkel getaucht, hier und da fällt Licht auf gewisse Gegenstände. 

Und auf einmal tauchen Frauen als Malerinnen auf, nicht nur als Objekte. Das muss man sich einmal vorstellen, wäre Michelangelo eine Michelangelina gewesen, hätte niemand sie gekannt. Oder sie hätte heimlich ihr Können für einen Mann hergegeben, der dafür berühmt geworden wäre.

Übrigens muss man sein europäisches Impfzertifikat vorzeigen, danach wird Fieber gemessen. Sonst kommt man in kein Museum. Es besteht außerdem Maskenpflicht. Wer die Maske im Museum absetzt oder seiner Nase kurz Luft gönnt, bekommt sofort eine Ansage von einem der Museumswärter. 

Diesen Ausblick hatte ich, als ich mit dem Fahrrad am Arno entlang in der historischen Altstadt ankam.

Palazzo Pitti. Den riesigen Park durchschweifte ich am Vormittag, am Nachmittag schaute ich mir die Kunstwerke im Palast an. Und das alles mit einem angeschwollenen kleinen Zeh, den ich mir im Wohnmobil an der Küchenecke angehauen hatte.