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Il Collaccio und Umgebung

Heute ist der Tag, an dem ich am Nachmittag die geführte Bergtour machen werde. Ein bisschen Zeit zum Berichten habe ich noch. Ich berichtete bereits von der Mühe, die sich der Campingplatzbesitzer gegeben hatte, um mir diese Tour zu organisieren. Am Abend dieses Tages stieß ich allerdings mit meinem schon heilenden kleinen Zeh erneut an die Küchenzeilen-Kante im Wohnmobil. Es trieb mir kurz die Tränen in die Augen und am nächsten Tag war mein gesamter Fuß angeschwollen. Ich versuchte zu laufen, ich wollte nur die gut 2 km nach Preci hinunter, um etwas einzukaufen, aber ich musste aufgeben. Allerdings buchte ich in einem kleinen Restaurant 500 m vom Campingplatzeingang einen Tisch für den Abend. Ich war mir nicht sicher, ob das überhaupt ein Restaurant war. 

Dann kühlte ich den Fuß in einer Schüssel mit kaltem Wasser und später im Swimmingpool. Am Abend zwängte ich mich in meine Ballerinas und humpelte zum bestellten Tisch. Ich wollte drinnen sitzen, weil es abends schnell kühl wird hier oben auf 700 m. Draußen gab es zwei Tische und drinnen drei, davon einen großen. Draußen rauchte ein großer Grill. Es gab fast nur Grillfleisch zu essen, natürlich mit Vorspeisen und Beilagen. Also warf ich meine meist vegetarischen Vorsätze über Bord und bestellte Lamm. Mit Gemüse, das eine Art Mangold war. Sonst nichts, fragte die Bedienung, eine ältere Frau. Nein danke, erwiderte ich. Zum Brot servierte der Koch eine Portion Omelett mit Trüffeln. Das war recht viel und sehr lecker und fast war ich schon satt. Trotzdem genoss ich die vier Lammkoteletts mitsamt einer Rippe mit einem großen Glas Rotwein. Danach bestellte ich mir, weil die Leute so sympathisch waren, noch einen Nachtisch. Mittlerweile war ich mit den Leuten am Nebentisch ins Gespräch gekommen und auch mit der Bedienung. Als sie merkten, dass ich italienisch sprach, begannen sie eine Unterhaltung. Woher man kommt, wohin man noch will und so weiter. Und ob ich wüsste, dass diese Gegend hier vor fünf Jahren von dem Erdbeben betroffen war. Ich hatte mir das gedacht, war mir aber nicht sicher, weil hier die Grenze zwischen Umbrien und den Marken ist. Und damals in der Zeitung hatte es geheißen, die Region Marken sei betroffen.

In der Nacht schwoll der Fuß weiter an, langsam aber sicher bekam ich eine Krise. Sollte ich die Tour absagen oder abwarten? Ich entschied mich für abwarten und probierte meine Joggingschuhe an. Es tat nichts weh, ich versuchte zu gehen und es ging. So wanderte ich über eine Anhöhe in einer großen Schleife von etwa 5 km nach Preci. Meine Laune stieg, weil mein Fuß funktionierte. Ich hatte allerdings nicht gewusst, wie weit der Weg nach Preci war. Auf direktem Wege wären es 2 km gewesen, über den Hügel war es doppelt so weit. Aber ich genoss die Einsamkeit und die Berglandschaft, den intensiven Duft des warmen Waldbodens und die weiten Ausblicke auf die Hügel knapp über der Baumgrenze.

Endlich in Preci angekommen, stieg ich zuerst in die Altstadt auf. Dort sah ich die Zerstörung des Erdbebens vor fünf Jahren. Die Häuser hatten Risse, die Kirche ein Loch. Die Dachziegelscherben und sonstigen Trümmer lagen zum Teil noch vor den Häusern. Es gab ein Schild mit der Aufschrift "Rekonstruktionsbüro"  und dass das Projekt 2018 abgeschlossen sei. Aber es war niemand da, die Altstadt ein Geisterort. Wie ich mir zusammenreimte, gab es zu wenig Geld für den Wiederaufbau.

Ich irrte noch ein wenig in den verlassenen Gassen herum. Hier und da waren Absperrungen. Die hatte man angebracht, auch hatte man Stabilisierungen vorgenommen. Aber das war bisher alles an Aktionen. Es handelt sich um 500 Jahre alte Gemäuer. Eine typische Kulisse dieser Gegend, mitsamt der Kirche, aber wohl nicht berühmt genug, um restauriert zu werden. Hier hatte kein Michelangelo gelebt und auch kein Dante.

Ich stieg die steilen Stufen hinab, setzte mich unten, sozusagen im neuen Dorf, vor eine Bar und trank eine Cola und aß ein süßes Gebäck. 

Den Einkauf schaffte ich dann nicht mehr, weil inzwischen der Laden geschlossen war. Die Mittagspausen in Italien sind lang. Eigentlich fehlt mir nur Sonnencreme. Und ich hatte nun einen guten Grund, nicht selbst zu kochen. Ich ging am Abend, nach ausgiebigem Schwimmen im Pool, Pizza essen, hier im Restaurant am Platz. Dafür bezahlte ich 11 Euro, den Rest der Pizza musste ich mir noch einpacken lassen. 

So, und nun muss ich mich beeilen, weil ich mich gleich auf meine Bergexkursion vorbereiten muss. Mein Fuß ist übrigens abgeschwollen.

Die mittelalterliche Stadt. Wenn man genau hinschaut, sieht man die Risse.

Stabilisiert, aber nicht renoviert. Oben das Loch. Das ist die Rückwand der ehemaligen Kirche.