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Und noch ein bisschen Adria

Mal ein bisschen Strand, dort, wo ich war, um keinen Nordseewind zu haben. Und gleich sind da auch Sonnenschirme und Liegestühle.

 

Es ist schon ein paar Tage her, aber leider habe ich hier sehr schlechtes W-LAN. An einem der Nachmittage der vergangene Woche, es war schon etwas später,  dachte ich mir, ich schaue mal, wie weit ich mit dem Fahrrad in die andere Richtung fahren kann, um den nächsten Ort zu erreichen. An der Rezeption fragte ich nach einer Fahrradstraßenkarte. Die gäbe es nicht und es sei nicht zu empfehlen, die Straße nach rechts mit dem Fahrrad zu fahren, ich solle mir doch die Kurve dort einmal anschauen. Ich fuhr dann durch die Kurve und fand einen wunderbar rot markierten Radweg an beiden Seiten der Straße, man kann dort sehr gut Fahrrad fahren, auch sind Seitenstraßen extra für Fahrräder ausgeschildert. Ich muss mir das Mädchen von der Rezeption mit dem Pferdeschwanz merken. Ich fand eine Bucht, die windgeschützter scheint. Ich machte mir für den nächsten Tag einen Plan. Ich würde dorthin zurückkommen und schwimmen. Per Fahrrad braucht man höchstens 20 Minuten.

An der Rezeption traf ich das Mädchen mit dem Pferdeschwanz wieder und fragte sie nett, ob sie denn nicht wüsste, dass die Straße mit breiten Radwegen ausgestattet sei. Ja doch, das wisse sie, sie hätte ja nur die Kurve gemeint. Wenig später traf ich sie auf dem Campingplatz und da erzählte sie mir, sie hätten noch ein paar Fahrradroutenpläne im Archiv gefunden. Leider kann man damit nicht viel anfangen, auch die Radwegweiser führen nicht dahin, wohin man möchte.

 

Später zog ich das Kleid an, das ich in Essen für den Sommer gekauft und bisher erst einmal getragen habe. Abends herrscht zwar nicht mehr die große Hitze, aber es ist immerhin noch knapp über 20 Grad. Ich ging zu dem Restaurant vor dem Campingplatz. Dort gibt es eigentlich zwei, aber eines davon scheint immer voll besetzt zu sein. Der Grund ist, vielleicht, dass im ersten die Terrasse freie Sicht auf das Meer bietet und die Terrasse des anderen mit großen Steinblöcken zugebaut ist, so dass man das Meer nur hört. Dort war alles frei und ich hätte keinen Tisch reservieren lassen müssen. (Spätere Anmerkung: Das immer belegte Restaurant hat einen Michelin-Stern.)

Ein italienisches Paar saß bereits da, ein zweites Paar kam etwas nach mir. Sie sprachen eine Art deutsch, dessen Dialekt ich der Schweiz zuordnete.

Die Speisekarte gab etwas mehr her als die des Restaurants auf dem Campingplatz, es gab keine Pizza, was ein gutes Zeichen ist. Ich bestellte Muscheln als Antipasto und dann eine Art Seebarsch. Als Gruß aus der Küche kam eine Bohnensuppe mit Meeresfrüchten. Danach war ich schon fast satt, daher hütete ich mich, aus Langeweile Brot zu essen.

Ich hatte zum Essen den Hauswein bekommen, denn wenn man keine Flasche bestellt, hatte der Kellner mir klargemacht, kann man auch keinen Wein auswählen. Ich dachte, dann steck dir doch die extra vor mich hingelegte Weinkarte sonst wo hin. Und ich dachte auch, dass man ein Gesetz braucht zur Verhinderung von Diskriminierung von Singles im Restaurant. Ich weiß nun nicht, was in dem Restaurant mit dem Stern passiert wäre. Nach dem Essen kam ich ins Gespräch mit dem deutschsprachigen Ehepaar. Sie kamen aus Südtirol. Sie boten mir noch etwas aus ihrer Weinflasche an und ist stellte fest, dass dieser Wein schmeckte.

Das Gespräch ging in Richtung Politik und da merkte ich schnell, dass das immer noch gärt zwischen den Südtirolern und Italien. Sie ließen kein gutes Haar an italienischer Politik und auch sonst sprachen sie nicht besonders positiv von „den Italienern“.

So, das erlebte ich, einen Tag später fuhr ich zum von mir entdeckten Strand.

Dort mietete ich einen Liegestuhl mit Sonnenschirm. Es ist unglaublich, dieser Strandabschnitt liegt ein bisschen in einer Bucht und daher empfand ich die leichte Brise nicht als Nordseewind, so wie an dem Strandabschnitt am Campingplatz. Auch gab es keine Bruchkante, so dass die Wellen sanft ausrollten. Ich hielt mich dort lange auf. Ich ärgerte mich, dass ich kein Buch mitgenommen hatte. Gegen halb vier zog der Himmel etwas zu und die Wetter-App sprach von leichter Gewitterwahrscheinlichkeit. Das veranlasste mich zurückzufahren. Man weiß ja nie. Passiert ist dann nichts.

In den Morgenstunden des nächsten Tages kam ich mit dem Laptop nicht ins Internet, an keiner Stelle des Campingplatzes, am Tag davor war es kein Problem gewesen, es funktionierte sogar an meinem Platz. Ich bemängelte das an der Rezeption. Sie machten einen Reset, aber es funktionierte danach genau so wenig. Am späten Nachmittag, als ich vom Schwimmen zurück war, funktionierte es immer noch nicht. Ich ging noch einmal zur Rezeption. Man gab sich alle Mühe, aber das W-LAN funktionierte einfach nicht. Sie würden mir Geld zurückerstatten. Darauf sagte ich, ich wolle das Geld nicht zurück, ich wolle einfach das Internet, das sie anbieten, weil ich es brauche. Ich sagte nicht, sie böten ja auch warme Duschen an und wenn die nicht funktionierten, würde ich gern die Leute hören, denen man sagt, sie bekämen Geld zurück.

Etwas später funktionierte es dann doch einigermaßen. Diesen Bericht hier konnte ich weiterhin vergessen. Ich nahm dann das Handy und las die Recklinghäuser Zeitung. Schließlich ist das Teil meiner Urlaubsbeschäftigung, sozusagen statt der Unterhaltungen, die die Leute führen, die nicht allein reisen.

 

Gestern machte ich eine Fahrradtour. Ich wollte zu dem domähnlichen Gebilde, das ich von weitem von der Autobahn aus gesehen hatte und das fast Ausmaße des Doms von Florenz zu haben schien. Da ich mit der Fahrradkarte nichts anfangen konnte, fuhr ich der Nase nach. Das ging ganz gut. Als ich die Unterführung unter der Autobahn gefunden hatte, war ich bereits auf dem richtigen Weg. Ich musste noch den Ortsteil „Loreto Bahnhof“ durchqueren, und dann befand ich mich am Fuß einer Treppe. Ich ließ das Fahrrad dort stehen und machte mich an den Aufstieg, vorbei an einem Friedhof polnischer Soldaten. Ein polnischer General hat im Zweiten Weltkrieg Widerstandskämpfer vereint, und diese haben den Alliierten geholfen, von der Adria aus die Deutsche Front in Italien zurückzudrängen. Bis sie in Bologna waren. Aber bis dahin hatte es unterwegs viele Tote gegeben, und nicht wenige davon lagen hier in Loreto unterhalb der Basilika, mit Blick auf die blaue Adria.

Ich musste ein bisschen weinen, weil mein Papa auch hier war, aber nicht ganz so weit. Ihn hatten die Amerikaner in Bologna abgefangen, so dass der Krieg für ihn zum Glück dort zu Ende war. Mich macht es immer noch traurig und das wird auch so bleiben, diese Vergangenheit ist nicht so lange vergangen, sie schlummert weiter in unserem Blut, zumindest dem der Kinder der damaligen Akteure.

 

Ich stieg die Treppe bis zum Ende hoch und war völlig erschlagen, auf einmal diese große Basilika vor mir zu sehen. Ich ging durch die Kirche hindurch, bestaunte kurz den erhabenen Raum mit einem imposanten Gebilde vor dem Altar, das wohl ein Taufbecken ist, den Deckengemälden und den gotischen Bögen, die den Blick nach oben richten, man kann nicht anders.

Als ich das Kirchenschiff durch einen anderen Ausgang verließ, erkannte ich erst, dass ich in einer richtigen Stadt oberhalb der Küste war. Nach dem Überqueren des Kirchplatzes kam ich in eine geschäftige Restaurant-, Trödel- und Einkaufsstraße.

Kurz verwirrte ich einen Mann, und das kam so. In einer Cafeteria trank ich eine Cola und wollte zur Toilette, die allerdings besetzt blieb. Es bildete sich eine Schlange, um die Ecke aber war eine Kombination aus Herren- und Behindertentoilette. Dort ging ich hin. Ein Mann kam heraus und ich ging hinein. Den jungen Mann mit seinem kleinen Sohn, der im Eingangsbereich der Herrentoilette saß, nahm ich zwar wahr, aber ich dachte mir nichts dabei. Als ich die Toilette verließ, schimpfte er mich aus, er habe doch schon gewartet. Es war mir peinlich, aber woher sollte ich das gewusst haben, da er doch da saß und nichts sagte, als ich in die Toilette ging. Er war wahrscheinlich geschockt, weil ich als Frau so zügig in die Herrentoilette gegangen war. Und dann bin ich schnell weitergegangen.

Ich schaute mich noch in den Läden um, wo man Heilige und Marien und vor allem Krippen und Krippenfiguren anbot. So wie in Rothenburg ob der Tauber, haben sie auch hier das ganze Jahr Weihnachten. Auf einem Schild stand: „Unbefleckte Jungfrauen jetzt preisreduziert!“ Das ist also die katholische Kirche, kleine Jungen unter der Hand und Jungfrauen zum Schrottpreis. Und der Papst segnet sie alle.

Übrigens erfuhr ich gerade, dass diese Kirche, die ich heute rein zufällig besucht habe, eine bedeutende Pilgerstätte der katholischen Kirche direkt nach dem Petersdom sein soll. Huch, hätte ich das gewusst. Dort gibt es auch eine „braune Madonna von Loreto“. Braun waren die Frauen hier schon immer, wegen der Arbeit auf dem Feld. Und daher stellten sie sich in Loreto vor, dass eine Maria braun zu sein hat. Dabei bezog sich die Kirche auch auf das Hohelied des weisen Predigers Salomo. „Meine Geliebte, meine Freundin ist schwarz…“ und so weiter. Das las ich auf einer Infotafel in der Kirche. Wie die es schaffen, alles Mögliche durcheinander zu mischen, ist irgendwie grotesk, aber interessant. Weihwasser kann man übrigens in kleinen Fläschchen kaufen.

 

Ich stieg dann hinab vom heiligen Berg, fand mein Fahrrad wieder und fuhr auf direktem Weg zum Campingplatz. Dort zog ich meine Joggingsachen an und drehte eine Runde. Zwar nicht so weit wie üblich. Ich merkte, dass ich länger ausgesetzt hatte, und ein bisschen schmerzt der Zeh immer noch. Und dann geschah das Paradies. Ich ging nach dem Joggen eine Runde schwimmen. Das Meer war ganz ruhig, die Einstiegswelle war nicht vorhanden, und so rannte ich ins Wasser und wäre vor Wonne fast nicht mehr rausgekommen.