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Besichtigung des Mont-Saint-Michel

Wie man auf dem Foto sieht, bin ich diesem Weltkulturerbe gestern nicht nur näher gekommen, sondern habe es auf meine Art besichtigt.

 

Wie ich schon erwähnte, soll man das Fahrrad auf der halben Strecke zwischen Campingplatz und Insel stehen lassen und zu Fuß weiter gehen oder mit einem Shuttlebus fahren. Ab hier ist es nicht mehr weit bis zur Brücke, die man sich wie den Hindenburgdamm in klein und ohne Schienen vorstellen muss.  Da mir Radfahrer entgegenkamen, fuhr ich einfach weiter und las nach ein paar Metern auf einem weiteren Schild, dass es auf der Insel selbst nur 70 Radstellplätze gäbe, was sich im Nachhinein als Unsinn erwies, denn man konnte überall sein Fahrrad abstellen, allerdings ohne Parkbügel. Davon gab es übrigens keine 70, sondern null. Ich stellte mein Fahrrad ab und begann mit dem Aufstieg.

 

Ein kaum erträglicher Gestank kam mir entgegen, da gerade das Toilettensystem der Insel geleert wurde, um per Tanklastwagen abtransportiert zu werden. Es war kurz nach elf Uhr am Vormittag und bereits sehr voll. Überall lockten Restaurants und Cafés und manche Besucher hatte der Shuttlebus mit Koffern ausgespuckt, denn es gab auch Hotels. Die Preise waren ungleich höher als auf dem Festland, zum Glück hatte ich mir ein Brioche eingepackt und ein paar Schluck Wasser. Leider bekam ich doch auf einmal stark Lust auf Cola. Ich kaufte eine kleine Flasche für 3,50 Euro (!) und sah, dass ich in der Bude daneben 50 Cent hätte sparen können. Dafür verzichtete ich auf den Kauf sämtlichen Touristenkitsches, wovon man glatt erschlagen zu werden schien. 

 

Trotzdem schaffte es ein Ritter der Überredungskunst, mir für die vier Museen auf dem Berg ein Ticket zu verkaufen, 18 Euro kostete das, was ich aber im Nachhinein nicht bereut habe. Gleich im ersten Museum, dem Museum der Seefahrt, lernte ich in einem Film die Wahrheit über die Salzschafe: Sie trinken nicht direkt Salzwasser aus dem Fluss, sondern essen das Gras der Polderwiesen, die ab und zu bei Hochwasser von der See überspült werden und deswegen besonders würziges Gras haben sollen. Das Missverständnis beruht allerdings auch auf einer Besonderheit der französischen Sprache: Ich hatte "mouton présalé" gehört, was vorgesalzenes Schaf bedeutet, also dachte ich, sie trinken das Salzwasser. Durch den Film erfuhr ich, die Schafe essen das Gras der Salzwiesen, was man "mouton prés salés" schreibt (bei gleicher Aussprache), daher korrigiere ich mich, ein bisschen jedenfalls.

Ich erfuhr, dass das Wasser bei Flut stark ansteigt und für unbedarfte Leute, die im Watt herumlaufen, sehr gefährlich werden kann. Einmal im Jahr gibt es eine besonders starke Flut, was mit der Konstellation von Sonne und Mond zur Erde zu tun hat, aber das erklärt Wikipedia besser. Dort steht wahrscheinlich auch viel besser erklärt,  wie der vor noch nicht langer Zeit gebaute Staudamm am Einlauf des Flusses in die See nicht nur Ebbe und Flut nachregelt, sondern Sedimente in den Fluss spült, damit das Meer zwischen Insel und Festland nicht noch mehr versandet und der Mont-Saint-Michel eine Insel bleibt.

 

Die weiteren Museen waren ein "archeoskopisches", was auch immer das bedeutet. Jedenfalls war es eine Darstellung der Entstehung der Gebäude, beginnend mit einer romanischen Kirche und einem Kloster, und die Entwicklung bis in die Gegenwart. Es war eine mit theatralischer Männerstimme vorgetragene Geschichtsunterrichtseinheit. Auf Leinwand mit einer Wasserlache davor, so dass es mittels bestimmter Lichteffekte dreidimensional wirkte. Und mit Opernmusik. Dann gab es das historische Museum mit unter anderem einer erstaunlichen Sammlung von unglaublich fein ziselierten Uhrenteilen, die vor dem danach erfundenen Uhrwerk eingesetzt wurden. Man sah Münzen und Folterwerkzeuge samt Kerker. Und dann war da noch der Unterschlupf des Ritters Bertrand du Guesclin und seiner wahrsagenden Gattin im 14. Jahrhundert. Nach der Ersteigung der vielen Stufen hätte ich mich am liebsten auf sein Bett gesetzt, doch das war verboten und wäre mir sogar unheimlich gewesen.

 

Für die Besichtigung der Kirche musste man extra Eintritt bezahlen. Ich hätte mir per Internet ein Ticket besorgen können. Habe ich aber nicht, und in der unendlich langen Schlange wollte ich nicht stehen. Ich hätte eine Kirche von innen gesehen, aus der romanischen ersten Kirche ist ein gotischer Bau geworden. Wunderschön sicher, und erhaben, aber zu jener Zeit war man unterhalb der Lobgesänge in Kirchen fleißig mit Foltern beschäftigt und wie man Andersgläubige quält, und diese Orte hatte ich ja schon gesehen. So sparte ich mir das Innere der Kirche, fand einen Abstieg, der nicht so furchtbar überlaufen war, stieg wieder auf mein Fahrrad und fuhr zurück zum Campingplatz. Immer noch strömten mir scharenweise Besucher entgegen und ich war froh, dass ich mit der Besichtigung fertig war. Eine französische Frau hatte mir auf dem Campingplatz in Colleville gesagt, dass während der Urlaubszeit so viele Menschen dorthin strömten, dass eine Besichtigung nicht mehr zu empfehlen sei. Das kann ich mir nun gut vorstellen.

 

Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit Ausruhen in der Sonne, die sich ab Mittag zu scheinen entschlossen hatte, und dem Aufräumen meiner Campingbude. Als es schon wieder kühler wurde und die Leute um mich herum das Fleisch von ihren Grills verspeisten, probierte ich ein weiteres Restaurant aus, um endlich Austern zu essen. Ich bestellte 6 als Vorspeise. Wenn sie hier nicht frisch sind, dachte ich, dann sind sie es nirgendwo. Hoffentlich, denn die Horrorwoche nach dem Genuss der ersten Austern meines Lebens damals in Paris habe ich nicht vergessen. Danach habe ich sie aber immer wieder gegessen. Die Austern wurden mir serviert, aber ich vermisste Brot dazu. Als ich bei Nummer vier war, fragte man mich, ob ich Brot mit Butter möchte. Was ich bejahte und mich ärgerte, nicht vorher darum gebeten zu haben. Als Hauptmahlzeit aß ich Kabeljau mit Gemüse. Und als Nachtisch eine kleine normannische Tarte mit einer Eiskugel daneben. Dann war ich wirklich satt. 

 

Eigentlich, dachte ich auf dem Rückweg, könnte ich jetzt weiter fahren. Das machen die meisten Leute, sie bleiben 2 oder höchstens 3 Tage. So sieht man natürlich mehr. Wenn ich aber von 14 Tagen unterwegs fast die Hälfte der Zeit nur Auto fahre, macht mir das auch keinen Spaß. Ich versuche, mir durch kleine Radtouren einen Gesamteindruck von der Gegend zu machen, um so einfach zu entspannen und Dinge zu sehen, die nicht in den Reiseführern stehen. 

Unten die Kirche aus der Nähe, der Blick von der Insel auf ein winziges Nachbareiland, die andere Seite, das Watt, ich sage Tschüss Insel und der Fotograf schneidet dabei die Spitze ab, was soll's, habe ich ein paar Mal vollständig fotografiert.