Pünktlich um acht Uhr war ich bei der netten Frau an der Rezeption. Die redete mir die Tour für 65 Euro aus. Die sei ohne Guide, für den Preis würde man nur mit dem Bus nach Neapel reingekarrt und nach drei Stunden wieder abgeholt. Warum ich denn nicht mit dem Zug fahren wolle. Das wollte ich dann, war aber ein bisschen enttäuscht. Ich hätte gern die Stadt gezeigt bekommen, weil ich keine Ahnung hatte, wie man an einem Tag möglichst viel sieht. Und das sagte ich ihr.
Darauf schwärmte sie von ihrem Neapel und erklärte mir einiges und auch, wo ich aus dem Zug aussteigen und in die U-Bahn einsteigen soll. Ich sollte mir unbedingt die Katakomben unter der Basilica della Pietrasanta anschauen. Der Zug, das ist eine Regionalbahn, die heißt Circumvesuviana. Hätte ich nicht nochmal nachgefragt, wäre ich zum Bahnhof der Staatsbahn gelatscht und hätte mich gewundert. Nun brauchte ich eine Fahrkarte. Der Automat wollte aber nicht und ich fragte daher einen Mann in einer Art Uniform, der daneben stand, wie ich an eine Fahrkarte käme. Bei meinem Kollegen hier am Schalter, sagte er. Kann ich gleich eine kombinierte Karte für die Metro haben, fragte ich, und das ging. Hin und zurück kostete mich die Fahrt 7,60 Euro. Gut, dass die Frau an der Rezeption mich hierzu überredet hat. Aber warum verteilen die dann überhaupt die Werbung dieses Busunternehmens! Auf dem Bahnsteig fiel mir ein, dass ich das Ticket vielleicht entwerten müsste. Ich fragte eine Frau und die sagte mir, der Apparat sei im Bahnhof. Nun musste ich nur wieder durch die Unterführung und wieder zurück zum Bahnsteig und schon war ich bereit für die Fahrt. Da kam auch schon der Zug.
Die Beschreibung der Rezeptionsfrau war sehr gut gewesen. Als ich aus der U-Bahn ausstieg, befand ich mich im Zentrum der Altstadt. Ich fragte zwei junge Männer, wo man einen Stadtplan bekommen könne. Das wussten sie nicht, sie waren eifrig dabei, eine kommunistische Zeitung zu verteilen. Ich sprach kurz mit ihnen und stellte fest, dass sie in etwa die alte Sowjetunion wieder auferstehen lassen wollten. Die lagen genau so daneben wie die Zeugen Jehovas in Rom, die mir die falsche Richtung zeigten, als ich sie nach dem Weg fragte (ich vergaß das zu erwähnen). Ich fragte danach einen Polizisten (muss man ja auch erst einmal finden) und der sagte mir, wo der nächste entsprechende Kiosk ist. Leider konnte ich mit dem Plan, den ich dort bekam, nicht viel anfangen, weil nur die Hauptstraßen eingezeichnet waren. Schnell fand ich eine Buchhandlung, die verkauften mir einen Plan, der war aber auch nicht viel besser. Als ich das bemerkte, ging ich zurück und der Verkäufer verstand, was ich meinte. Er gab mir einen richtigen Stadtführer mit Faltplan und ich durfte den zuerst gekauften Plan zurückgeben. Richtig taugte der auch nicht, ich musste die beiden Pläne kombinieren und kam damit zurecht. Ich weiß, es gibt auch Google, aber den mag ich nicht. Google weiß immer alles besser als ich und schickt einen diagonal und dann verliert man die grobe Richtung.
Ich tauchte in die Altstadt ein und schob mich durch die Touristenströme. Da ich Roberto Saviano gelesen habe und auch sonst noch so einiges über Neapel, war ich irgendwie nicht so ganz entspannt. Vor allem mitten in der Menge. Als ich so schlenderte, sah ich eine lange Schlange anstehen. Mir war nicht klar, wofür die Leute anstanden, ich sah nur den Eingang einer Pizzeria, und davon gab es viele. Aber nur an der einen standen sie alle an. Ich fragte eine in der Schlange stehende Frau, und sie antwortete mir auf Englisch, die Pizzeria sei berühmt. So etwas habe ich mal in Paris mit meinem Mann gemacht, was ja schon etwas länger her ist. Wir wollten in ein Restaurant, das im Reiseführer empfohlen wurde. Dort waren die Tische so eng gestellt, dass man sich nicht rühren konnte, und das Essen war - ich übertreibe nicht - teurer Fraß. Ach Leute, ich fürchte, das ist hier nicht viel besser, aber aus Erfahrung wird man klug. Sollen sie doch.
Nicht lange danach kam ich zu der Basilica mit den Katakomben. Hier gab es für Rentner wieder einen reduzierten Preis und man glaubte mir auch hier, ohne den Ausweis zu zeigen. Dann sei es so, dachte ich. Hier war ich allerdings schnell durch.
Danach zog es mich zum Hafen. Ich sah große Schiffe hinter Häusern und Mauern hervorragen, entdeckte aber kein bisschen Wasser. Langsam, aber sicher, schmerzten meine Füße. Ich habe sowieso den Eindruck, dass ich mir selbige seit meiner Abfahrt von zu Hause ziemlich plattgelaufen habe. Nach den vier Tagen stundenlang durch Rom geht es hier munter weiter. Mit dem Unterschied, dass die Temperatur moderat geworden ist. Es war bereits halb zwei und ich zog es vor, mich vor das nächste beste Restaurant oder Kneipe oder was auch immer zu setzen. Ich aß einen Salat, von dem die Salatblätter und die Tomaten frisch waren, der Rest aus Dosen, das dazu gereichte Olivenöl war "aus Ländern Europas". Dafür war es sehr preiswert und ich konnte meine Füße ausruhen und überlegen, was ich noch sehen könnte.
Ich entschloss mich, es salatblattgestärkt noch einmal mit dem Hafen zu versuchen. Ich ging so lange Richtung Schiffe, bis ich von einem Menschen zurückgepfiffen wurde. Ich wollte nur ein paar Fotos machen, sagte ich, und er meinte, ich solle es weiter rechts versuchen. Auf dem Weg traf ich ein Paar, die sprachen deutsch und ich redete kurz mit ihnen. Jawohl, sagten sie, da drüben könnte ich zum Hafen gelangen. Das hörte ein verwahrloster Typ, und der ging hinter mir her und schimpfte - in französischer Sprache! - über mich deutsches Schwein und ich würde nicht mehr lebend aus dem Hafen herauskommen. Das fand ich nicht ganz so lustig, ich war auf einmal allein mit dem Idioten und hatte eine Schrecksekunde. Dann sah ich aber einen Offiziellen an einer Schranke, an den ich mich wandte. Sie kennen den Verrückten schon, beruhigte er mich, er verscheuchte dann mit ein paar Kollegen den Typen, so dass ich Fotos machen konnte. Ich sah dabei ein Kreuzfahrtschiff mit dem Namen "Costa Toscana", das war abartig groß. Viel mehr gab es nicht zu sehen.
Kurz überlegte ich, ob ich noch in das Nationalmuseum gehen sollte. Dort sind auch Gemälde berühmter Maler und es gibt eine Abteilung mit den Dingen, die bei den Ausgrabungen der antiken Städte geborgen worden sind. Das würde ich heute nicht mehr schaffen, dachte ich, fand es aber schade, da es mich interessiert hätte. Hätte ich mal damit angefangen. So aber hatte ich einen Gesamteindruck von Neapel. Ich schlenderte noch ein wenig durch das spanische Viertel, das an einem steilen Hang liegt, und dann nahm ich wieder die Metro bis zum Bahnhof der Vesuv-Bahn.
Zurück in meinem Camper fand ich eine Ameisenansammlung in der Spüle, wo sich ein bisschen nicht gespültes Geschirr befand. Zitrone? Obst? Ich wusste es nicht. Ich räumte alles aus und stieß dabei noch auf einen Baby-Gecko. Das fand ich überhaupt nicht lustig. Denn der hätte mich auch nachts im Bett besuchen können. Der ist wahrscheinlich gestern Abend bei dem Sturzregen unter dem Mückennetz der Eingangstür hineingeschlüpft. Später sah ich meine Nachbarn von gegenüber ihre Reifen umpudern. Das sei gegen Ameisen. Sie gaben mir das Mittel und ich verteilte es ebenfalls um meine Reifen. Die kommen überall da rein, wo der Wagen Kontakt mit dem Boden hat. Später fiel mir auf, dass mein Temperaturaußenfühler auf den Boden reichte. Das wird es wohl gewesen sein. Bis jetzt hatte ich noch nie Ameisen in meiner Karre und auch keine Geckos. Ein bisschen macht mir das Angst. Wenn ich da so an Babyschlangen denke, die hier in der Gegend durchaus auch existieren.
Die Vesuv-Bahn hat mir gut gefallen, und die fährt auch in die andere Richtung, das ist Sorrento. Von dort geht eine Fähre nach Capri. Allerdings hörte ich von Nachbarn, die würde wegen des Sturms nicht fahren. Es ist wohl allerhand los im Mittelmeer im Augenblick, Mallorca hat es ziemlich getroffen. Hier waren nur Gewitter, viel Regen und ein Temperatursturz von 37 auf 24 Grad, aber nichts Beunruhigendes.
Ich werde jetzt erst einmal schlafen und mich morgen wieder mit einem Plan überraschen. Auf jeden Fall wird morgen der letzte Tag auf diesem Ameisen-Campingplatz sein. - Unten noch ein paar meiner Eindrücke von Neapel, weite Plätze, enge Gassen, das Riesenschiff im Hintergrund am Hafen.