Heute ist Dienstag, seit Freitag bin ich jetzt schon auf dem Campingplatz Lido di Salpi bei Manfredonia, Provinz Foggia, Apulien.
Als ich hier ankam, musste ich erst einmal allen Leuten erzählen, dass man mir mein Fahrrad gestohlen hat. Ich muss gestehen, dass es mir wie eine kleine Amputation vorkommt. Nicht wegen des Wertes oder einer Erinnerung, es war nicht mehr neu und keiner hat es mir geschenkt. Aber ohne Fahrrad fühle ich mich einfach nicht mobil.
So, hier auf dem Campingplatz gibt es einen Minimarkt, der ist aber wirklich mini. Es gibt ein gutes Restaurant. Was die Versorgung angeht, ist es also keine Katastrophe. Aber mir fehlt die Freiheit, mal schnell ein paar Meter nach links und rechts zu fahren. Und wie ich heute - leider - feststellte, kann man mit dem Fahrrad nach Manfredonia fahren, wenn man einen Helm trägt und vorsichtig ist, geht das. Außerdem bin ich auf alle ankommenden Camper neidisch, die schön ihre Fahrräder mithaben.
Der Strand direkt am Campingplatz ist wunderschön, es ist ein breiter Sandstrand, ganz weich, ohne Steine, und ganz seicht abfallend. Als ich ankam, war es etwas kühl am Strand. Das passiert wohl an der Adria um diese Zeit. Am Samstag bog ich vom Campingplatz nach links und wanderte am Strand entlang, bis ein kleiner Fluss einmündete. Ich bin sogar an dieser Stelle ans andere Ufer gewatet, dort war alles ganz flach. So wäre ich zu Fuß nach Manfredonia gekommen, man sagte mir aber, dass die Flut kommt. Also drehte ich um. Ich war auch schon eineinhalb Stunden gewandert und musste den ganzen Weg ja noch zurück. Am Strandabschnitt des Campingplatzes angekommen, wurde es wieder windig und ich hatte keine Lust mehr auf weitere Abkühlung durch Wasser. Am nächsten Tag war ich schon vor dem Mittag am Strand. Es gab weder Wind noch Wellen und ich genoss stundenlang das Baden und Ausruhen mit und ohne Sonnenschirm, immer abwechselnd.
Am nächsten Tag, also gestern, kam am frühen Morgen ein starker Wind auf. Die Wetter-App hatte es angekündigt und ich rollte meine Markise wieder ein. Die wird jetzt auch nicht mehr ausgefahren, das lohnt sich nicht, da die Bäume auf dem Platz etwas Schatten spenden und ich tagsüber am Strand bin oder etwas unternehme.
Ja genau, was soll ich ohne Fahrrad unternehmen? Die 8 Kilometer Landstraße laufen, um nach Manfredonia zu kommen? Ich muss wohl den Bus nehmen. Von der Einfahrt zum Campingplatz bis zur großen Straße geht eine Zufahrtsstraße, für die man vielleicht gut fünf Minuten braucht. Links neben der Einmündung, sagte man mir, sei eine Bedarfs-Bushaltestelle. Ich bin dreimal daran hin und her vorbeigelaufen, bis ich das ausgebleichte Ding am Pfahl als solche identifizierte. Das habe ich gestern schon gemacht. Der Bus fährt alle zwei bis drei Stunden, die Rückfahrzeiten wussten sie nicht. Und auch sonst dachte ich, dass ich das Italienische hier nicht mehr verstehe, weil man mir etwas total Verrücktes erklärte. Das habe ich aber erst bei der Rückfahrt begriffen und das erkläre ich später.
Als ich also schon dachte, dass der Bus nicht kommt, sah ich ihn. In Manfredonia stieg ich an der vorletzten Haltestelle aus, vielleicht war es auch die letzte, das weiß man hier nicht so genau. Jedenfalls war ich in der Stadt. Eine Frau erklärte mir die Rückfahrt und dass der Bus immer auf der gleichen Seite losfährt, egal in welche Richtung man will. Langsam dämmerte mir, was die mir erklären wollten.
Ich ging die Viale Aldo Moro entlang, die in die Via Manfredi mündet, und das ist auch schon die Hauptstraße des Zentrums. Ich sah schöne Läden, die zum Shoppen einluden. Zuerst wollte ich aber zur Burg, auf die ich dann auch direkt zulief. Das ist ein sehr beeindruckendes romanisches Riesenbauwerk mit 4 Türmen und liegt gegenüber dem Hafen. Ich kam kurz vor elf dort an und konnte gleich ein Ticket mit Führung buchen. So erfuhr ich, dass Manfred, Sohn des Staufer-Kaisers Friedrich II, der Stadt ihren Namen gab. Weiteres kann man bei Wikipedia nachlesen. Von der Burg aus hat man einen schönen Blick auf den Hafen. Dieses Bauwerk beherbergt ein archäologisches Museum mit Fundstücken aus der prähistorischen, der Bronze- und der Eisenzeit.
Als ich mich nach dieser Besichtigung kurz gestärkt hatte, fiel mir auf, dass die Supermärkte lange Mittagspausen haben. Ich wollte den Bus um drei zurück nehmen. Das war das Problem, der nächste führe erst um fünf. Also spurtete ich zu Coop. Google sagte mir, wo der war. Auf dem Campingplatz gibt es nur Goudakäse, und ich bin doch in Italien. Außerdem wollte ich ein Brot, dass nicht nach zwei Stunden hart ist wie diese Brötchen hier. Ich fand Vollkorntoast. Das geht einigermaßen. Ich wollte auf dem Rückweg zur Haltestelle noch ein bisschen in den Geschäften schauen, aber die hatten auch Mittagspause. So ging ich sehr langsam zurück, fand vor der Haltestelle eine einzige Kneipe-Bar-Kiosk oder so, wo ich noch ein bisschen sitzen konnte.
Manfredonia wirkt sehr verschlafen. Trotz der wunderbaren Lage am Meer mit den Gargano-Bergen im Hintergrund läuft nicht viel Tourismus. Es gab nun nichts mehr zu tun als eine Stunde auf den Bus zu warten. Der kam dann, als ich schon nervös wurde. Ich fragte den Fahrer kurz vor dem Campingplatz, ob er mich rauslassen könnte. Da sei keine Haltestelle. Ich hatte es also doch gestern kapiert, aber nicht geglaubt. Ich musste bis zur Endstation mitfahren. Dort machte der Fahrer seine mindestens zehnminütige Pause und fuhr dann wieder Richtung Manfredonia. Er entschuldigte sich sogar bei mir für diesen Blödsinn, wie er sagte. Das sei nicht in seinem Kopf entstanden. Er ließ mich dann lächelnd an der entsprechenden Haltestelle raus.
Bild oben, man glaubt es kaum, wunderschöner menschenleerer Strand. Unten die Burg von Manfredonia, ich auf der Burg, Motiv einer Kirche in Manfredonia. Es gibt viele Möwen und wenige Menschen hier. Und der Fluss, durch den ich watete.
Am letzten Abend meines Hierseins auf dem Campingplatz Lido di Salpi füge ich noch ein bisschen was zu diesem Bericht hinzu. Eine Woche und zwei Tage bin ich hier geblieben. Ich war nicht mehr in Manfredonia mit dem Bus. Kurz überlegte ich, ob ich mir ein Fahrrad dort kaufen sollte, das habe ich dann aber nicht gemacht. Ich habe die Tage hauptsächlich am Strand verbracht, habe im Meer geschwommen und bin am Strand gewandert. Ich habe wieder angefangen, joggen zu gehen. Aber das hat keinen Spaß gemacht, weil ich nichts als die Hauptstraße gefunden habe.
Das ist ein merkwürdiger Campingplatz. Neben mir war ein altes italienisches Ehepaar. Die haben ihren Wohnwagen hier stationiert und hatten drei Monate hier verbracht. Sie wohnen in Bari, das ist gerade mal knapp 100 km entfernt. Sie haben eine Woche gebraucht, um alle ihre kleinen Vorbauhütten abzubauen und mussten zweimal fahren, um alles nach Hause zu transportieren. Am letzten Tag ihres Packens war die Frau von Müdigkeit gezeichnet und der Mann hat nur noch geschimpft. Als ich mich verabschiedete und sagte "bis zum nächsten Jahr", hat die Frau traurig gelächelt. Sie haben mir Feigen geschenkt.
Auf meiner anderen Seite wohnt ebenfalls schon seit Mai, sagt er, ein Österreicher mit seiner italienischen Partnerin, beide mein Alter. Er telefoniert und redet den ganzen Tag, sie kocht und spült und wäscht. Manchmal fahren sie abends weg. Weiter oben hängt eine Gruppe von Alt-Hippies. Die sind fast das ganze Jahr hier, sagen sie, fahren nur manchmal nach Deutschland, um die Enkelkinder zu sehen und die Autos durch den TÜV zu bringen. Einer hat kaum noch Zähne, aber viel tätowierte Haut. Sie unternehmen nichts. Mir schräg gegenüber hat sich ein Paar, auch in meinem Alter, hingestellt, die haben den Wohnwagen hier stationiert und bleiben jetzt über Winter. Die sind nur ein bisschen Hippie. Sie haben den alten Leuten beim Abbauen geholfen.
Und dann sind da einige, die sitzen den ganzen Tag in Gruppen oder als Paar vor ihrer Hütte und reden oder lesen. Ein paar Paare aus Frankreich, England, der Schweiz und natürlich auch Italiener bleiben ein paar Tage und dann fahren sie wieder, wie ich. Am Strand treffe ich wieder andere, die hängen nur dort. Ein Paar aus Estland ist immer schon am Strand, wenn ich am späten Vormittag komme und noch da, wenn ich gehe. Heute dachte ich, die schlafen da. Aber ich war heute Abend nochmal zum Abschied am Strand, da waren sie weg. Heute Abend war der Wind ganz weg, am Vormittag ist er mäßig und wird am Nachmittag immer stark. Morgen fahre ich Richtung Norden, aber nicht sehr weit, ich bleibe am adriatischen Meer und werde einen Ort ansteuern, der noch südlich des Ortes liegt, an dem ich vor zwei Jahren war, alles südlich von Ancona.