Ursprünglich hatte ich vor, etwas weiter nach Norden zu fahren, bis kurz vor San Benedetto del Tronto. Jetzt bin ich bei dem kleinen Ort Pineto hängen geblieben, das waren nur 250 km nach Norden von Manfredonia aus. Der Ort liegt in der Provinz Abruzzen. Der Campingplatz ist direkt am Meer, leider auch an der Bahnlinie, dahinter steigen schon die Hügel an. Aber das schönste ist, dass der Strand kilometerweit von einem Pinienwald begleitet wird.
Die Autobahn führte an einem relativ hohen Bergzug vorbei (Parco Nazionale del Gran Sasso). Ich hätte Lust, dort einmal hineinzufahren, um zu wandern. Ein anderes Jahr. Die 250 km weiter nördlich machen sich insofern bemerkbar, als hier der Müll schon getrennt wird und nichts mehr in der Landschaft liegt. Touristen sind auch hier nicht viele. Es ist zwar Nachsaison, aber letztes Jahr war ich um dieselbe Zeit in der Toskana am Meer und vor zwei Jahren bei Ascona an der Adria. Und da war noch viel los, hier nicht und die meisten Campingplätze sind schon zu.
Es gibt einen Minimarkt auf dem Campingplatz, der etwas mehr im Angebot hat als der am Lido Salpi. Und es gibt ein Restaurant, in welchem ich am ersten Abend aß. Ich wählte einen Meeresfrüchtespieß und als Beigabe frisches Gemüse. Ob ich Brot möchte, fragte man mich und ich bejahte. Davon nahm ich eine Scheibe, bevor das Essen kam. Leider konnte ich kaum etwas abzupfen, es war sehr hart und schmeckte vermufft. Ich beschwerte mich und sagte, das Brot sei bestimmt einmal frisch gewesen, aber das wäre sicher noch zu Zeiten gewesen, als Mussolini der Chef Italiens war. Ich entschuldigte mich gleichzeitig für den Spruch und tröstete die Kellnerin, sie könne ja nichts dafür, sie könne schließlich nicht alles probieren. Darauf bekam ich einen Espresso gratis. Vorher musste ich mich leider noch durch das Essen kämpfen. Der Spieß war ein bisschen verbrannt, was man durch lose draufgeklatschtes nasses Paniermehl kaschiert hatte, das Grillgemüse war ebenfalls schwarz und noch nicht einmal kaschiert. Ich sagte aber nichts mehr. Das Restaurant am Lido Salpi war dagegen ein Feinschmeckerlokal bei gleichen Preisen. Dafür ist das hier ein gepflegter Campingplatz mit einem großen Swimming Pool, den aber kaum jemand nutzt, weil das Meer direkt dahinter liegt. Man kann nun mal nicht alles haben, das weiß man vorher nie.
Die Nähe der Bahnlinie ist etwas lästig, ich habe mich aber daran bereits gewöhnt, ist fast wie zu Hause.
Ich habe mir ein Fahrrad gemietet, so dass ich auch in den Ort fahren konnte, damit ich nicht auf den Minimarkt und das Restaurant angewiesen bin. Das Fahrrad ist etwas gewöhnungsbedürftig, ohne Gangschaltung und ohne Licht vorn. An das Fehlen des Rücktritts habe ich mich gewöhnt. An die 26iger Räder kann ich mich nicht gewöhnen, man kann den Lenker nicht höher stellen, so dass ich den Sattel nicht maximal hochziehen kann. So schaute ich mir heute wie ein kleines Äffchen auf dem Schleifstein sitzend, die Landschaft an. Es gibt einen wunderbaren Radweg direkt am Pinienwald entlang, dazwischen lugt immer wieder das Meer durch. Ich fuhr bis zu einem Turm, der aus dem Mittelalter stammt und als Abwehr- und Meldeturm bei Gefahr diente.
Auf dem Rückweg ging ich in eine Strandkneipe. Dort bestellte ich Calamares mit gemischtem Salat. Die Calamares waren lecker, es hätten für den Preis aber mehr sein können. Der gemischte Salat bestand aus zwei kleingeschnittenen Eisbergsalatblättern und vier halbierten Minitomaten. Ungewürzt. Als ich das bemängelte, stellte man mir einen Ständer mit verschiedenen Tütchen auf den Tisch. Öl und Essig war auch in kleinen Tütchen. Die Dosierung war dementsprechend unmöglich.
Gestern Abend unterhielt ich mich lange mit meinen italienischen Nachbarn aus Rom. Sie sind sehr nett, sie haben mir viele Tipps gegeben, wo überall in Italien ich noch hin muss. Das werde ich kaum schaffen, bis ich 80 bin. Aber sie meinten auch, ich bräuchte Italien überhaupt nicht mehr zu verlassen. Es gäbe hier alles, das Klima sei im Winter besser als in Deutschland, und überhaupt würden sich die Italiener immer durchwurschteln, auch in so schwierigen Zeiten wie den derzeitigen. Und sie würden selbst noch die verrückte Blonde verkraften, die da jetzt in Rom regiere. Wir haben viel Spaß gehabt. Ich versprach ihnen, im Gegenzug an einem nächsten Abend die Vorzüge Deutschlands zu schildern, jedoch während meiner Radtour fiel mir ziemlich wenig ein und ich fühlte mich wie eine Vaterlandsverräterin.
Im Wasser sind leider ein paar Quallen unterwegs. Es sind keine Feuerquallen, aber wenn man mit ihnen in Kontakt kommt, fühlt es sich an, als sei man an einer Brennnessel vorbeigeschabt. Das ist ein bisschen schade, aber ich werde mich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. Meer ist Natur und da ist dann auch einiges im Wasser drin, was da reingehört. Ich habe eine Frau getroffen, die hat darauf hysterisch reagiert. Dabei finde ich Mückenstiche mindestens genau so schlimm. Ich könnte eher hysterisch werden, wenn ich sehe, was an Plastikmüll alles angeschwemmt wird. Das war allerdings in Manfredonia schlimmer.
Ich bin auf diesem Campingplatz auch 9 Tage geblieben, wie schon auf dem Lido di Salpi bei Manfredonia. Ich wollte nicht nur Roadtrip, sondern mich auch einfach ausruhen und treiben lassen. Einmal fuhr ich mit dem Fahrrad von Pineto aus nach Roseto degli Abruzzi, immer auf dem Radweg an der Küste entlang. Dieser Ort ist viel größer, er erinnert schon an die adriatischen Touristenburgen. Pineto war also genau der nördlichste Ort ohne Rimini-Flair.
Wenn ich ein paar Tage ohne wirkliches Programm habe, bedeutet das gemütliches Online-Zeitunglesen beim Frühstück, ein bisschen mit den italienischen Nachbarn quatschen zwischen dem Toiletten- und dem Geschirrspülgang. Danach verbringe ich etwas Zeit am Strand mit Liege und Sonnenschirm. Ich bin regelmäßig joggen gegangen, auch immer am Strand entlang. Ich entdeckte dabei ein Restaurant, das ich dann abends ansteuerte. Ich saß an einem Tisch direkt auf dem Meer. So schien es jedenfalls. Der Speisesaal war balkonartig über Quadersteinen angebracht, die das Meer eingrenzten. Gefühlt saß ich auf einem Schiff. Danach luden mich die Italiener auf dem Campingplatz noch zum Kaffee ein. Inzwischen war auch ein holländisches Paar dazugekommen.
Am Tag vor der Abreise der Italiener wurden wir von ihnen noch zum Tee mit viel Gebäck eingeladen. Das sind die italienischen Verführerteufelchen direkt aus handwerklichen Konditoreien, die schmecken so hausgemacht nach unverfälschten Zutaten und sind optisch so unterschiedlich und jedes für sich nach MEHR schreiend, dass man nicht mehr mit dem Essen aufhören kann. Aber wir haben nicht alles geschafft.
Die Italiener hatten mir gesagt, am Samstag sei Markt in Pineto. Da bin ich hingefahren. Und so habe ich etwas mehr von der Stadt gesehen, vorher war ich immer nur bis zum Conad-Supermarkt gekommen, der Rest schien mir uninteressant. Als ich den kleinen Lebensmittelmarkt und einen kilometerlangen Kleidungs- und Klimbimmarkt abgeschlendert hatte, kam ich an eine Bar. Von dort aus sah ich eine Hochzeit, weil die Kirche direkt gegenüber war. Das war also das Zentrum, und nicht etwa der große Conad. Am Montag fuhr ich nochmal in das Zentrum, aber da schlief es wieder. Viele Geschäfte hatten zu, auch der Eissalon mit dem leckeren Eis. Ich fand aber noch einen anderen, wobei das Eis vom Samstag besser war.
An den letzten Tagen war ich noch im Swimming Pool. Auch die Holländer waren inzwischen weg und ich packte meine Sachen zusammen. Ein bisschen wehmütig verabschiedete ich mich am Abend vor meiner Abreise vom Meer und sagte mir, dass ich ja vielleicht nochmal wiederkomme. Aber das weiß man nie.
Dienstagmorgen fuhr ich nach Bologna. Bericht folgt.
Ein paar Impressionen. Der Turm, bis zu dem ich heute gefahren bin. Auch hier der einsame Strand, zum Teil Sand, zum Teil Kies. Nicht weit vom Salvataggio-Boot parke ich immer meinen Liegestuhl und meinen Sonnenschirm, den ich heute nicht mehr brauchte, weil es sich am Nachmittag etwas zugezogen hatte. Und noch das kleine Eselchen, das ich mir gemietet habe, das Pferd ist ja weg. So hängen die Satteltaschen etwas tief.